Quicksilver
nervös im Raum umgeblickt hatte, gewöhnte er sich daran, sie zu übersehen. Was ihn tatsächlich lähmte, war das allgegenwärtige Geräusch – nicht weil es laut war, sondern weil es das nicht war. Der Raum enthielt wenigstens zwei Dutzend Uhren oder Bauteile von Uhren, angetrieben durch Gewichte oder Federn, deren Höhe oder Spannung zusammengenommen genug Energie speicherte, um eine Scheune hochzuheben. Diese Kraft wurde zurückgehalten und diszipliniert durch mit Zähnen versehene Vorrichtungen von verschiedener Gestalt: Insekten aus Messing, die unerbittlich rund um stachelbewehrte Räder krochen, metallene Sternenkonstellationen, die an dunklen, unerschütterlichen Achsen hingen und alle zum Taktschlag schwingender Senkbleie marschierten oder tanzten.
Nun verdankte ein Mann in Bob Shaftoes Gewerbe seine Langlebigkeit zu einem Teil seiner Wachsamkeit – seiner Empfindlichkeit für (unter anderem) bedeutungsvolle Geräusche. Selbst bei den blödsinnigsten Rekruten konnte man davon ausgehen, dass sie die lauten Geräusche bemerkten. Bei einem erfahrenen Mann wie Bob nahm man an, dass er auch den leisen sorgfältig nachging. Eliza gewann den Eindruck, dass Bob einer von den Burschen war, die ständig jeden Menschen im Raum zum Schweigen mahnten und absolute Ruhe verlangten, damit sie die Luft anhalten und feststellen konnten, ob das schwache sporadische Kratzen von einer Maus im Schrank oder von feindlichen Tunnelbauern herrührte, die einen Gang unter die Befestigungsanlagen trieben. Ob dieses entfernte rhythmische Schlagen von einem Flickschuster nebenan stammte, oder eher von einem Infanterieregiment, das in seine Stellung außerhalb der Stadt marschierte.
Jedes Werk und Lager in diesem Raum machte genau die Art von Geräusch, die Bob Shaftoe normalerweise wie ein überraschtes Tier erstarren ließ. Selbst als er verstandesmäßig begriffen hatte, dass es alles Uhren oder Entwürfe für Uhren waren, wurde er von dem Gefühl, von einem geduldigen mechanischen Leben umgeben zu sein, zum Verstummen gebracht und eingeschüchtert. Er stand kerzengerade mitten in dem großen Raum, die Hände in den Hosentaschen, atmete tief aus und ließ seine Augen hin- und herschnellen. Diese Uhren waren dazu gemacht, genau die Zeit anzuzeigen und sonst nichts. Es gab keine Glocke, keine Musik und erst recht keinen Kuckuck. Falls Bob auf solche Einlagen wartete, würde er warten, bis er ein staubiges Skelett inmitten von spinnwebenüberzogenen Uhrwerken war.
Eliza fiel auf, dass er sich rasiert hatte, bevor er sich heute Morgen zu dem sonderbaren Botengang aufgemacht hatte, etwas, das Jack nie in den Sinn gekommen wäre, und sie fragte sich, wie das alles zustande kam – welcher Gedankengang einen Mann sagen ließ: »Ich sollte lieber mein Gesicht mit einer Klinge abkratzen, bevor ich dieses Unterfangen angehe.« Vielleicht war es gewissermaßen eine symbolische Liebeserklärung an seine Abigail.
»Es ist alles eine Frage des Stolzes, stimmt’s?«, sagte Eliza, während sie einen Würfel Torf in den eisernen Ofen stopfte. »Oder der Ehre, wie Ihr es vermutlich nennen würdet.«
Statt einer Antwort schaute Bob sie an; oder vielleicht war sein Blick seine Antwort.
»Na, so leise müsst Ihr nun auch nicht sein«, sagte sie und stellte einen Kessel auf den Ofen.
»Was Jack und ich gemeinsam haben, ist eine Abneigung gegen das Betteln«, sagte er schließlich.
»Genau wie ich es mir gedacht habe. Deshalb schlagt Ihr mir, statt Abigails Auslösung von mir zu erbetteln, eine Art finanzielle Transaktion vor – ein Darlehen, rückzahlbar in Dienstleistung.«
»Ich kenne die Worte, die Fachbegriffe, nicht. Aber ungefähr so etwas hatte ich im Sinn.«
»Warum dann ich? Ihr befindet Euch in der Holländischen Republik. Das ist die Finanzhauptstadt der Welt. Ihr braucht Euch keinen bestimmten Geldverleiher auszusuchen. Dieses Geschäft könnt Ihr jedem vorschlagen.«
Bob hielt zwei Hände voll von seinem Mantel umklammert und wrang den Stoff langsam. »Das heillose Durcheinander auf den Geldmärkten verwirrt mich – ich mache lieber keine Geschäfte mit Fremden... «
»Was bin ich denn anderes als eine Fremde für Euch?«, fragte Eliza lachend. »Ich bin schlimmer als eine Fremde, ich habe einen Speer nach Eurem Bruder geworfen.«
»Ja, und genau deshalb seid Ihr für mich keine Fremde, deshalb kenne ich Euch.«
»Es ist der Beweis dafür, dass ich die Sklaverei hasse, meint Ihr?«
»Beweis dafür und für andere
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