Quicksilver
heruntergeschleudert oder behutsam wieder ins Gleichgewicht gebracht werde.
Nun mochte es reiner Zufall sein, dass Elizas Lieblingspferd in diesem Stall – die Stute, die sie jedes Mal namentlich verlangte, wenn sie dorthin ging – einen flachen, aber nicht übermäßig breiten Rücken, einen mittelgroßen Widerrist und ein freundliches Naturell besaß. Vielleicht hatten aber auch Jack Shaftoes Ratschläge zu den Feinheiten des Pferdediebstahls auf subtile Weise ihre Wahl beeinflusst. Der Name der Stute war jedenfalls Vla (»Creme«), und Eliza hielt es für unwahrscheinlich, dass das Tier sie jemals von seinem ungesattelten Rücken abwerfen würde. Der Stalljunge machte Anstalten, eine andere Stute zu satteln, aber Vla befand sich in einer Box, die nur ein paar Schritte entfernt war.
Eliza ging hinüber, machte die Boxentür auf, begrüßte Vla mit Namen, trat dann vor, bis ihre Nase die der Stute liebkoste, und atmete ganz sanft in Vlas Nüstern. Daraufhin hob Vla leicht den gewaltigen Kopf, um näher an die Wärme heranzukommen. Eliza legte die hohle Hand unter das Kinn der Stute und atmete abermals in deren Nüstern aus, und Vla reagierte mit einem leisen Schauder von Dankbarkeit. Hier und da zuckten erwachend riesige, einander überlappende Muskelpartien. Nun trat Eliza in die Box, ließ dabei die Hand über den Rumpf der Stute gleiten und benutzte dann die Seitenbretter der Box als Leiter, um bis auf eine Höhe zu klettern, von der aus sie sich quer über Vlas Rücken werfen konnte. Dann packte sie mit einer Hand den praktischen, mittelgroßen Widerrist und konnte sich so auf dem Bauch drehen und die Beine um Vlas Rumpf schlingen – dazu musste sie den engen unteren Teil ihres Nachthemdes bis über die Hüften hochziehen, doch ihr Mantel hing an beiden Seiten herab und bedeckte ihre Beine. Ihre nackten Gesäßbacken, Oberschenkel und Waden waren unmittelbar an den Leib der Stute gepresst, der herrlich warm war.Vla nahm dies alles durchaus ruhig hin. Sie reagierte nicht, als Eliza ihr das erste Mal in den Hintern kniff, doch beim zweiten Mal ging sie in den Stallhof hinaus, und als Eliza ihr sagte, was für ein braves Mädchen sie sei, und sie ein drittes Mal kniff, fiel sie in einen leichten Trab, der Eliza um ein Haar geradewegs auf den Boden beförderte. Eliza warf sich der Länge nach auf Rücken und Hals der Stute, vergrub ihr Gesicht in der Mähne und verbiss sich in einer Strähne des groben Haars. In diesen wenigen Momenten war ihre ganze Aufmerksamkeit darauf gerichtet, nicht herunterzufallen. Als sie sich das nächste Mal umsah, waren sie auf die Straße hinausgetrabt, nicht allzu effektiv verfolgt von ein paar Pferdeknechten und Stallburschen, die sich noch immer nicht schlüssig waren, ob sie Zeugen eines bizarren Missgeschicks oder einer kriminellen Handlung wurden.
Sie bewegten sich Richtung Norden, am Rand des Reitgeländes mit Namen Koekamp entlang, das an dieser Seite von dem großen Kanal gesäumt wurde, der geradewegs nach Scheveningen führte. Vla wollte die Nase aus dem beißenden Seewind nehmen und in das Koekamp abbiegen, denn davon lebte sie schließlich. Jedes Mal, wenn sie die Nase in diese Richtung streckte, erteilte Eliza ihr einen scharfen Verweis und bohrte ihr auf dieser Seite die Ferse in den Leib. So kamen sie nur stockend vorwärts, und die Beziehungen zwischen Ross und Reiterin blieben gespannt, solange zu ihrer Rechten das Koekamp und das Malieveld lockten. Doch sobald sie solche Versuchungen hinter sich gelassen hatten, schien Vla zu begreifen, dass sie am Kanal entlang nach Scheveningen unterwegs waren, und beruhigte sich merklich. Erneutes Kneifen veranlasste das Tier, in leichten Kanter überzugehen, was nicht nur ruhiger, sondern auch schneller ging. Kurz darauf galoppierte Eliza am Kanalufer entlang und rief jedes Mal »Platz da im Namen des Stadholder!«, wenn sie jemanden auf dem Weg sah. Aber das geschah selten, denn mittlerweile befanden sie sich in offenem Gelände, und Kühe waren häufiger als Menschen.
Sie kam zu dem Schluss, dass Jack Recht gehabt hatte – ohne Zuhilfenahme eines Sattels auf dem Rücken eines Pferdes zu verharren war eine Frage des Gleichgewichts und der Vorausahnung der Bewegungen des Pferdes, wobei man sich außerdem auf eine gewisse Mitarbeit des Tiers verlassen können musste! Bald begann Vla zu schwitzen, was sie glitschig machte, und dann musste Eliza jeglichen Anspruch, sich mit brutaler Gewalt festhalten zu wollen, aufgeben und
Weitere Kostenlose Bücher