Quicksilver
gewaltsamen Umsturzes einer Regierung, gebraucht habt.«
»Ach, ich glaube nicht, dass das unbedingt mit Gewalt verbunden sein muss.«
»Ihr bekennt Euch also schuldig!«
»Ich weiß, wie die echte Sternkammer gearbeitet hat... Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich bei dieser Farce hier anders verhält... warum sollte ich ihr dadurch Würde verleihen, dass ich so tue, als würde ich mich verteidigen?«
»Der Angeklagte ist schuldig im Sinne der Anklage!«, verkündete Jeffreys, als habe er gerade mit übermenschlicher Anstrengung einen strapaziösen Prozess zu Ende gebracht. »Ich will gar nicht so tun, als wäre ich vom Ausgang überrascht – während Ihr geschlafen habt, haben wir mehrere Zeugen gehört – alle stimmten darin überein, dass Ihr das Wort ›Revolution‹ in einem Sinne gebraucht habt, der in keiner astronomischen Abhandlung zu finden ist.Wir haben sogar Euren alten Kumpan vom Trinity befragt...«
»Monmouth? Habt Ihr den denn nicht geköpft?«
»Nein, nein, den anderen. Den Naturphilosophen, der die Unverschämtheit besessen hat, sich in der Sache des Father Francis mit dem König anzulegen...«
»Newton!?«
»Ja, genau der! Ich habe ihn gefragt: ›Ihr habt alle diese dicken Bücher zum Thema Revolutionen geschrieben, was bedeutet das Wort für Euch?‹ Er hat gesagt, es bedeute die Umlaufbewegung eines Planeten um die Sonne – von Politik hat er kein einziges Wort gesagt.«
»Ich kann nicht glauben, dass Ihr Newton in diese Sache hineingezogen habt.«
Jeffreys hörte abrupt auf, die Rolle des Großinquisitors zu spielen und antwortete im höflichen, zerstreuten Ton des viel beschäftigten feinen Herrn: »Nun, ich musste ihm in der Sache des Father Francis ohnehin eine Audienz gewähren. Er weiß nicht, dass Ihr hier seid... so wie Ihr offenbar auch nicht wisst, dass er in London war.«
Im gleichen Ton erwiderte Daniel: »Ich kann es Euch nicht verdenken, dass Ihr das Ganze ein wenig verwirrend findet. Natürlich! Ihr nehmt an, dass Newton bei einem Besuch in London seine Bekanntschaft mit mir und anderen Fellows der Royal Society erneuern würde.«
»Ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass er stattdessen mit diesem verdammten Schweizer Verräter zusammengesteckt hat.«
»Schweizer Verräter?«
»Derjenige, der Wilhelm von Oranien vor den französischen Dragonern gewarnt hat.«
»Fatio?«
»Ja, Fatio de Duilliers.«
Jeffreys strich sich geistesabwesend über seine Perücke, während er über diesen Newton betreffenden Informationsschnipsel rätselte. Der plötzliche Stimmungswechsel des Lordkanzlers hatte bei Daniel eine Unbesonnenheit hervorgerufen, die wahrscheinlich gefährlich war. Er hatte versucht, sie zu unterdrücken. Doch nun begannen ihm vor ersticktem Gelächter die Bauchmuskeln zu zucken.
»Jeffreys! Fatio ist ein Schweizer Protestant, der die Holländer auf holländischem Boden vor einem französischen Komplott gewarnt hat... und dafür nennt Ihr ihn einen Verräter?«
»Er hat Monsieur le Comte de Fenil verraten. Und nun ist dieser Verräter nach London übergesiedelt, weil er weiß, dass sein Leben überall auf dem Kontinent verwirkt ist... überall, wo Standespersonen dem Recht hinlängliche Achtung entgegenbringen. Hier dagegen! London, England! Ja, zu anderen Zeiten hätte man seine Anwesenheit nicht hingenommen. Doch in diesen prekären Zeiten zuckt kein Mensch mit der Wimper, wenn ein solcher Mann sich in unserer Stadt niederlässt... und wenn man ihn dabei beobachtet, wie er alchimistischen Bedarf kauft und sich in Kaffeehäusern mit unserem hervorragendsten Naturphilosophen unterhält, empfindet das niemand als skandalös.«
Daniel bemerkte, dass Jeffreys sich abermals in Rage zu reden begann. Ehe der Lordkanzler vollends außer sich geriet, erinnerte ihn Daniel: »Die wirkliche Sternkammer war dafür bekannt, dass sie strenge Urteile fällte und sie rasch vollstreckte.«
»Richtig! Und wenn die hier Versammelten solche Befugnisse hätten, läge Eure Nase schon in der Gosse, und der Rest von Euch befände sich auf einem Schiff nach Westindien, wo Ihr für den Rest Eures Lebens auf meiner Plantage Zuckerrohr schneiden würdet.Wie die Dinge liegen, kann ich Euch erst bestrafen, wenn ich Euch vor einem ordentlichen Gericht eines Verbrechens überführt habe. Was aber eigentlich nicht so schwierig sein dürfte.«
»Wie meint Ihr das?«
»Kippt den Angeklagten nach hinten!«
Die Büttel der Sternkammer – oder Henker oder was auch immer –
Weitere Kostenlose Bücher