Quicksilver
stünde Drake vor ihm und schelte ihn dafür aus, dass er nicht aufstand. Also stand er auf und wankte eine Zeit lang weinend umher. Er nahm an, dass er sich in Hogs-den oder Pimlico, wie Leute im Grundstückshandel die Gegend gern nannten, befinden müsse: weder Land noch Stadt, sondern eine Mischung aus den übelsten Merkmalen von beiden. Streunende Hunde jagten wilde Hühner durch eine Landschaft, die von wühlenden Schweinen umgepflügt und von herumstöbernden Ziegen kahl gefressen worden war. Durch Lücken in den Bruchsteinmauern von Bäckereien und Brauereien schossen nächtliche Feuer ihre geisterhaft roten Strahlen, die mit ihrem Schimmer Huren und Betrunkene erfassten.
Es hätte schlimmer kommen können: Sie hätten ihn an einem Ort mit Vegetation abladen können. Der Kragen war dazu bestimmt, Sklaven an der Flucht zu hindern, indem er jeden Zweig, jedes Schilfrohr, jede Ranke und jeden Stiel in einen Konstabler verwandelte, der den Flüchtigen, wenn er vorbeirannte, am Schlafittchen packte. Während Daniel umherwankte, untersuchte er mit den Fingern die Schließe und stellte fest, das man sie mit einem zugeschnitzten Pflock aus weichem Holz verschlossen hatte, der durch die Ösen getrieben worden war. Nach längerem Hin-und-Her-Rucken konnte er ihn schließlich herausziehen. Da löste sich der Kragen an seinem Hals, und er konnte ihn mühelos ablegen. Er verspürte den heftigen Drang, damit ans Flussufer zu treten und ihn in die Themse zu schleudern, doch dann kam er zur Besinnung und erinnerte sich, dass er eine Meile unsicheres Gelände zu durchqueren hatte, ehe er den Rand von Westminster erreichte, und sich auf dem Weg dorthin womöglich zahlreicher Hunde und Vagabunden erwehren musste. Und so hielt er den Kragen gepackt und schwang ihn ab und zu im Dunkeln hin und her, um sich Mut zu machen. Doch kein Angreifer fiel über ihn her. Seine Feinde waren nicht von der Art, die sich mit einer Eisenstange niederschlagen ließ.
Am südlichen Rand des besiedelten und zivilisierten Teils von Westminster war eine Straße im Bau, die bald in Mode kommen sollte. Sie war das jüngste Projekt von Sterling Waterhouse, der mittlerweile Earl von Willesden war und seine Tage größtenteils auf seinem bescheidenen Landsitz unmittelbar nordwestlich von London verbrachte, wo er die Selbstachtung seiner Investoren zu heben versuchte.
Zu den Leuten, die Geld in diese Straße in Westminster gesteckt hatten, gehörte auch Eliza, die mittlerweile Gräfin von Zeur war. Eliza nahm mittlerweile ungefähr fünfzig Prozent von Daniels gesamtem Denken gefangen. Das war natürlich ein unverhältnismäßig hoher Wert. Wären Daniel fortwährend neue und originelle Gedanken zum Thema Eliza gekommen, hätte er es vielleicht rechtfertigen können, zwanzig Prozent seiner Zeit dem Gedanken an sie zu widmen. Aber er tat nichts anderes, als immer wieder das Gleiche zu denken. In der Stunde, die er in der Sternkammer verbracht haben mochte, hatte er fast überhaupt nicht an sie gedacht, und das musste er nun dadurch wettmachen, dass er etwa eine Stunde lang an nichts anderes dachte.
Eliza war im Februar nach London gekommen und hatte sich dank persönlicher Empfehlungen von Leibniz und Huygens und dank ihrer Überredungsgabe eine Einladung zu einer Zusammenkunft der Royal Society verschafft – eine der wenigen Frauen, die je an einer teilnahmen, sofern man die Missgeburten nicht mitrechnete, die man zuließ, damit sie ihre Mehrfachvaginen zur Schau stellten oder ihre zweiköpfigen Säuglinge stillten. Daniel hatte die Gräfin von Zeur ein wenig nervös ins Gresham’s College geleitet, denn er befürchtete, sie würde sich unmöglich machen, oder die Fellows würden ihren Besuch missverstehen und sie zum Gegenstand einer Vivisektion machen. Aber sie hatte sich züchtig gekleidet und ebenso verhalten, und alles war gut gegangen. Später war Daniel mit ihr nach Willesden hinausgefahren und hatte ihr Sterling vorgestellt, mit dem sie sich ausgezeichnet verstand. Daniel hatte gewusst, dass es so sein würde; vor sechs Monaten waren beide noch Bürgerliche gewesen, und nun spazierten sie in Sterlings künftigem französischem Park umher, befanden darüber, wo die Urnen und Statuen ihren Platz finden sollten, und tauschten ihre Erfahrungen darüber aus, in welchen Läden man am besten alte Familienerbstücke kaufte.
Jedenfalls hatten sie mittlerweile beide Geld in diesen Versuch investiert, Hogs-den die Zivilisation zu bringen. Selbst
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