Quicksilver
traten von hinten auf Daniel zu, packten die Stuhllehne und rissen sie nach hinten, sodass sich die Vorderbeine des Stuhls vom Boden hoben und Daniels Füße in der Luft baumelten. Sein Gewicht verlagerte sich von seinem Gesäß in seinen Rücken, und der eiserne Kragen geriet in Bewegung und zog nach unten. Aber er wurde von Daniels Kehle aufgehalten. Daniel versuchte die Hände zu heben, um das Gewicht des Eisens von seiner Luftröhre zu nehmen, aber Jeffreys’ Handlanger hatten das vorausgesehen: Jeder von ihnen klemmte mit seiner freien Hand eine von Daniels Händen am Stuhl fest. Daniel sah nun nur noch Sterne: an die Decke gemalte Sterne, wenn er die Augen offen hatte, und andere, die durch sein Blickfeld schossen, wenn seine Augen geschlossen waren. Und jetzt schwebte das Gesicht des Lordkanzlers wie der Mann im Mond in das Zentrum seines Firmaments.
Nun war Jeffreys als junger Mann umwerfend schön gewesen, und das auch nach den Maßstäben der Generation von Kavalieren, zu der Adonisse wie der Herzog von Monmouth und John Churchill gezählt hatten. Besonders seine Augen waren von bemerkenswerter Schönheit gewesen – vielleicht erklärte das seine Fähigkeit, Daniel Waterhouse mit seinem Blick zu packen und festzuhalten. Im Gegensatz zu Churchill hatte er sich nicht gut gehalten. Jahre in London, in denen er neben dem Herzog von York als Zweiter Kronanwalt, dann als Ankläger angeblicher Verschwörer, dann als Lord Oberrichter und nun als Lordkanzler diente, hatten ihn, wie eine Kalbsniere in der Mastbox eines Schlachters, in Fettschichten gehüllt. Seine Augenbrauen hatten sich zu großen verzwirbelten Flügeln oder Hörnern ausgewachsen. Die Augen waren so schön wie eh und je, doch anstatt aus dem schönen, makellosen Gesicht eines jungen Mannes hervorzublicken, spähten sie nun wie durch eine Art Schießscharte, die unten von Fettwülsten und oben von verwachsenen Brauen begrenzt war. Vermutlich war es fünfzehn Jahre her, dass Jeffreys aus dem Gedächtnis alle Menschen hätte aufzählen können, die er mithilfe des Justizsystems ermordet hatte; wenn er nicht schon bei der Ausrottung der papistischen Verschwörer den Überblick verloren hatte, dann ganz gewiss während der Blutigen Assisen.
Jedenfalls konnte Daniel auch nun nicht den Blick von Jeffreys’ Augen losreißen. In gewissem Sinne hatte Jeffreys dieses Spektakel schlecht geplant. Die Droge hatte man Daniel wohl im Kaffeehaus in sein Getränk praktiziert, und Jeffreys’ Handlanger hatten ihn vermutlich entführt, nachdem er in einem Fährboot eingeschlafen war. Aber das Elixier hatte ihn so benommen gemacht, dass er bis zu diesem Augenblick keine Angst verspürt hatte.
Drake hätte auch dann keine Angst verspürt, wenn er ganz bei sich gewesen wäre; er hatte in diesem Raum gesessen und Erzbischof Laud Trotz geboten und dabei gewusst, was sie mit ihm machen würden. Daniel war bis jetzt nur insofern tapfer gewesen, als die Droge ihn abgestumpft hatte. Doch als er nun Jeffreys in die Augen sah, entsann er sich all der Gräuelgeschichten, die vom Tower ausgegangen waren, während die Karriere dieses Mannes gediehen war: Dissenter, die »Selbstmord begingen«, indem sie sich die Kehle bis zur Wirbelsäule durchschnitten; große Bäume in Taunton, geziert von daran aufgehängten Männern, die langsam starben; der Herzog von Monmouth, dem Jack Ketch peu à peu , mit fünf oder sechs Axthieben, den Kopf abgeschlagen hatte, während Jeffreys mit diesen Augen dabei zusah.
Die Farben schwanden aus der Welt. Neben Jeffreys’ Gesicht wurde etwas Weißes, Bauschiges sichtbar: eine Hand, umgeben von einer Spitzenmanschette. Jeffreys hatte eine der von Daniels Kragen vorstehenden Eisenstangen gepackt. »Ihr sagt, Eure Revolution müsse nicht zwangsläufig mit Gewalt verbunden sein«, sagte er. »Ich sage, Ihr müsst gründlicher über das Wesen der Revolution nachdenken. Denn wie Ihr seht, befindet sich dieser Haken jetzt oben. Ein anderer befindet sich unten. Zwar können wir den unteren durch eine schlichte Revolution nach oben befördern« – Jeffreys riss den Kragen herum, dessen ganzes Gewicht auf Daniels Adamsapfel lastete, und lieferte diesem damit allen Grund zum Schreien. Aber er gab bis auf einen kläglichen Versuch, Luft zu holen, keinen Laut von sich. »Doch seht nur! Der eben noch oben war, ist jetzt unten! Also wollen wir ihn nach oben befördern, denn er ist nicht gerne unten.« Jeffreys riss den Kragen erneut herum. »Nun sind wir
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