Quicksilver
leider wieder da, wo wir angefangen haben; der obere ist oben, der untere ist unten, was hat es da überhaupt für einen Sinn, eine Revolution zu veranstalten?« Jeffreys wiederholte die Demonstration und lachte über Daniels verzweifeltes Ringen nach Luft. »Wer könnte sich einen besseren Beruf wünschen!«, rief er aus. »Ganz langsam die Männer zu enthaupten, mit denen ich aufs College gegangen bin! Wir haben Monmouth so lange am Leben gehalten, wie es nur ging, aber die Axt ist unpräzise, Jack Ketch ist ein Schlächter, und es war allzu schnell vorbei. Aber dieser Kragen eignet sich vortrefflich zum langsamen Absägen, ihn hier könnte ich tagelang am Leben halten!« Jeffreys seufzte wollüstig. Daniel konnte nichts mehr sehen außer ein paar fahl violetten Flecken, die in wirbelndem Grau schwebten. Aber Jeffreys musste den Bütteln bedeutet haben, den Stuhl wieder aufzurichten, denn plötzlich lag das Gewicht des Kragens auf seinen Schlüsselbeinen, und seine Anstrengungen, Atem zu holen, hatten Erfolg. »Ich will hoffen, ich habe Euch von allen lächerlichen Vorstellungen hinsichtlich der wahren Natur von Revolutionen abgebracht. Wenn die Unteren nach oben befördert werden sollen, Daniel, dann müssen die Oberen nach unten befördert werden – aber die Oberen sind gern oben – und sie haben ein Heer und eine Flotte. Ohne Gewalt wird die Revolution also nicht vonstatten gehen. Und genügend Zeit vorausgesetzt, wird sie fehlschlagen, so wie die Eures Vaters fehlgeschlagen ist. Habt Ihr die Lektion halbwegs begriffen? Oder soll ich die Demonstration wiederholen?«
Daniel versuchte etwas zu sagen: nämlich, dass die Demonstration nicht wiederholt werden möge. Das musste er, weil es zu sehr wehtat und ihn womöglich umbringen würde. Um Gnade zu bitten war vollkommen vernünftig – und das Verhalten eines Feiglings. Das Einzige, was ihn davon abhielt, war, dass sein Kehlkopf nicht funktionierte.
»Es ist üblich, dass der Richter den Schuldigen noch ein wenig ausschimpft, damit dieser sich bessern kann«, überlegte Jeffreys. »Dieser Teil des Verfahrens ist damit abgeschlossen – wir kommen nunmehr zur Urteilsfindung. Diese betreffend habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht. Es ist eine alte Sitte, dem Empfänger einer guten und einer schlechten Nachricht die Wahl zu lassen, welche er als erste hören möchte. Da aber eine gute Nachricht für Euch eine schlechte für mich bedeutet und umgekehrt, gäbe es nur ein Durcheinander, wenn ich Euch erlaubte, die Wahl zu treffen. Also: die schlechte Nachricht für mich ist, dass Ihr Recht habt, die Sternkammer ist nicht offiziell wieder eingeführt worden. Sie ist bloß ein Zeitvertreib für ein paar von uns höheren Richtern und hat keinerlei rechtliche Befugnis, Urteile zu verhängen. Die gute Nachricht für mich ist, dass ich gegen Euch auch ohne rechtliche Befugnis ein überaus strenges Urteil sprechen kann: Ich verurteile Euch, Daniel Waterhouse, für den Rest Eurer Tage Daniel Waterhouse zu bleiben und für diesen Zeitraum jeden Tag im Bewusstsein Eurer eigenen erbärmlichen Memmenhaftigkeit zu leben. Hinaus! Ihr seid eine Schande für diese Kammer! Euer Vater war ein böser Mensch, der verdiente, was er hier bekommen hat. Aber Ihr besudelt sein Andenken! Ja, ganz recht, auf die Beine, kehrtum, marsch! Hinaus mit Euch! Dass Ihr mit Euch leben müsst, heißt noch lange nicht, dass wir uns der gleichen Erniedrigung aussetzen müssen! Hinaus, hinaus! Büttel, werft diesen zitternden Haufen Scheiße hinaus in die Gosse, und möge die Pisse, die ihm die Beine hinunterläuft, ihn in die Themse schwemmen!«
Sie luden ihn wie eine Leiche auf den offenen Feldern ab, die von Westminster aus flussaufwärts zwischen der Abbey und dem Städtchen Chelsea lagen. Als sie ihn von der Ladefläche des Karrens wälzten, verlor er um ein Haar buchstäblich den Kopf, da sich einer der Haken des Eisenkragens in eine Latte an der Wagenkante krallte, sodass es seinem Hals einen derart kräftigen Ruck gab, als risse es ihm die Seele aus dem Leib. Aber das Holz gab nach, ehe seine Knochen es taten, und er fiel in den Dreck – so jedenfalls der Schluss, den er aus seinen unmittelbaren Eindrücken zog, als er wieder zu sich kam.
Er verspürte an dieser Stelle nur noch den Wunsch, sich der Länge nach auf den Boden zu legen und zu weinen, bis er an Dehydrierung starb. Aber der Kragen ließ es nicht zu, dass er sich hinlegte. Ihn um den Hals zu tragen war so ähnlich, als
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