Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
dass ich inVersailles bin, wo er mich auch in der Hand haben wird, wenn ich gegen meinen Willen die Frau von Étienne d’Arcachon geworden bin. Die nächsten paar Wochen, in denen ich noch zu schwach bin, um mich aufzumachen, sind die gefährlichste Zeit.
Nur zwei Fragen sind noch zu klären: Erstens, wenn Étienne der Vater ist, warum ist das Kind dann makellos? Und zweitens, wenn meine Geheimschrift entziffert wurde und meine privaten Aufzeichnungen vom cabinet noir gelesen werden, warum erzähle ich Euch dann all diese Geheimnisse?
Im Grunde genommen gibt es noch eine dritte Frage, die Euch vielleicht beschäftigt hat:Warum habe ich überhaupt mit Étienne geschlafen, wo ich doch die Auswahl unter zehn Millionen geilen Franzosen hatte?
Alle drei Fragen finden ihre Antwort in einer einzigen Information. Während meiner Zeit in Versailles habe ich Bonaventure Rossignol, den Kryptoanalytiker des Königs, kennen gelernt. Rossignol oder Bonbon, wie ich ihn gerne nannte (hallo, Bonbon!) wurde letzten Herbst während der Vorbereitungen zur Invasion der Pfalz an die Rheinfront geschickt. Als ich mitten in das alles hineinplatzte und in Schwierigkeiten geriet, erfuhr Bonbon binnen weniger Stunden davon, denn er las sämtliche Briefe, die abgeschickt wurden, und kam mir – buchstäblich im Galopp – zu Hilfe. Es ist schwierig, die Geschichte unter den gegenwärtigen Umständen richtig zu erzählen, und deshalb werde ich gleich ans Ende davon springen und gebe zu, dass seine Ritterlichkeit mein Blut in Wallung brachte, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Es erscheint sehr grob und einfach, wenn ich es so niederschreibe, aber im Kern ist es auch eine grobe, einfache Angelegenheit, oder? Ich fiel über ihn her.Wir liebten uns mehrmals. Es war wunderbar. Aber wir mussten einen Ausweg für mich finden.Viel Auswahl gab es nicht. Der beste Plan, der uns einfiel, war der, dass ich Étienne d’Arcachon verführte oder besser wie betäubt in einer Art außerkörperlicher Trance neben mir stand, während er mich verführte. Das baute ich zu einer Flucht nach Norden aus. Ich schrieb alles in einem Tagebuch nieder. Als ich nach Den Haag kam, erfuhr d’Avaux von der Existenz dieses Tagebuchs und drängte den Kryptoanalytiker des Königs, es zu übersetzen – was er auch tat, allerdings unter Auslassung der besten Teile, nämlich der Stellen, an denen er selbst den romantischen Helden spielte. Er konnte mich nicht als unschuldig darstellen, denn d’Avaux wusste bereits zu viel, und zu viele Franzosen waren Zeugen meiner Taten geworden. Stattdessen verstand Bonbon die Geschichte so zu erzählen, dass er mich zu Étiennes Geliebter machte: die sich unverfälscht fortpflanzende Frau, von der er, ebenso wie seine Familie, träumte.
Ich muss jetzt aufhören zu schreiben. Mein Körper möchte den kleinen Kerl stillen, und wenn ich ihn nachts auf der anderen Seite des Platzes schreien höre, sondern meine Brüste ein dünnes Rinnsal aus Milch ab, das ich mit einer stärkeren Flut aus Tränen abwasche.Wäre ich ein Mann, würde ich sagen, ich sei entmannt. Da ich eine Frau bin, werde ich sagen, ich bin über-fraut. Lebt wohl. Falls Ihr, wenn Ihr nach Hannover zurückkehrt, ein kleines Mädchen namens Caroline kennen lernt, unterrichtet sie genauso gut, wie Ihr Sophie und Sophie Charlotte unterrichtet habt, denn ich prophezeie, dass sie sie beide in den Schatten stellen wird. Und falls Caroline einen kleinen Waisenjungen bei sich hat, der auf dem Rhein geboren sein soll, dann werdet Ihr seine Geschichte kennen und wissen, wer sein Vater und was aus seiner Mutter geworden ist.
Eliza

Bishopsgate
    OKTOBER 1689
Nicht mal dich selbst verstehst du, tumber Wicht, Und blicktest du an dir herab, so sähst du nicht, Was dich zusammenhält. Hat nicht gedacht Seit alters jedermann, wir wär’n gemacht Aus Feuer, Luft und and’ren Elementen? Und jetzt denkt man an neue Komponenten, Bald hört man dies, bald jenes und bald das, Zuletzt weiß keiner mehr so richtig was. Weißt du denn, wie’s bei heiler Haut gelingen Kann dem Stein, tief in die Blase einzudringen?
John Donne, Von der Entwicklung der Seele,
Der zweite Jahrestag
    Der Besucher – sechsundfünfzig Jahre alt, aber erheblich besser bei Kräften als der Gastgeber – gab sich reserviert, während er zusah, wie seine buchbeflissenen Lakaien zwischen den Stapeln, Kisten, Regalen und Fässern ausschwärmten, welche die Privatbibliothek von Daniel Waterhouse bildeten. Einer von ihnen

Weitere Kostenlose Bücher