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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gelbes Aufblitzen in seinem Augenwinkel, dann bohrten sich Splitter in seine eine Gesichtshälfte (aber es fühlte sich an, als wäre sie ihm einfach weggeschnitten worden), und er war taub. Sein Pferd ging durch, brach sich in dem Schutthaufen gleich darauf ein Bein und warf ihn ab – er landete hart auf Steinen und Splittern und stand auf, nachdem er wer weiß wie lange dort gelegen hatte. Es hatte weitere Explosionen gegeben, die nun rascher kamen, da sich die Hauptfront der Feuersbrunst näherte und ihre Hitze Dampf- und Rauchvorhänge aus Wänden, Dächern und den Kleidern der Lebenden und Toten auf der Straße zog. Daniel machte sich das Licht des Feuers zunutze, um über die Mauer aus Trümmern zu kraxeln, in einen Straßenabschnitt, der noch unversehrt, aber dazu verurteilt war, ein Raub der Flammen zu werden.
    Auf der Holborn angelangt, kehrte er dem Feuer den Rücken und rannte auf die Explosionsgeräusche zu. Ein Teil seines Verstandes hatte sich die ganze Zeit geometrisch betätigt, hatte die Explosionspunkte vermerkt und extrapoliert, und er wurde sich immer sicherer, dass die Kurve dicht an Drakes Haus vorbeiführen würde.
    Auch auf der Holborn türmte sich ein Schutthaufen, der so frisch war, dass er sich noch nicht vollständig gesetzt hatte. Daniel stürmte ihn hinauf, und bei jedem Senken des Blicks überfiel ihn die Angst, unter seinen Füßen Drakes Möbel zu sehen. Doch oben auf dem Hügel angelangt, gewann er einen ungehinderten Blick auf Drakes Haus, das noch stand, allerdings allein und gewissermaßen mit hängenden Schultern, da beide Nachbarhäuser gesprengt worden waren. Die Mauern hatten zu rauchen begonnen, darum herum regneten wie Meteore Feuerbrände herab, und auf dem Dach stand Drake Waterhouse und hielt mit beiden Händen eine Bibel über seinen Kopf. Er brüllte irgendetwas Unverständliches, das man aber auch nicht verstehen musste.
    Auf der Straße vor dem Haus drängte sich eine ungewöhnliche Zahl von Gentlemen und Besseren, die – ihre farbenfrohe, höfische Kleidung verbrannt und geschwärzt – Degen schwangen, und auch Musketiere, die etwas unglücklich dreinschauten, weil sie mit um den Leib geschnallten Schießpulverbehältern an einem solchen Ort standen. Sehr reiche und prominente Männer blickten zu Drake auf und bestanden lautstark und gestenreich darauf, dass er auf die Straße herunterkam. Aber Drake hatte nur Augen für das Feuer.
    Daniel drehte sich um, um zu sehen, was sein Vater sah, und wurde fast zu Boden geschlagen von der Hitze und von dem Schauspiel, das es bot – das Feuer. Alles zwischen Osten und Süden, und alles unter den Sternen, war Flamme. Es spie und pulsierte, sprühte und wallte, und Gebäude sanken davor nieder wie Grashalme unter John Wilkins’ riesigem Rad.
    Und es näherte sich so rasch, dass es manche überholte, die vor ihm wegzulaufen versuchten – sie verschwammen zu Rauchschemen und gingen in Flammen auf, ihre rennenden Gestalten lösten sich in Licht auf: die Entrückung. Das war Drakes Aufmerksamkeit nicht entgangen – er zeigte darauf -, aber die unten sich drängenden Stutzer vom Hof interessierten sich nicht dafür. Für Drake waren diese Leute schon Dämonen aus der Hölle gewesen, ehe London in Brand geraten war, denn sie waren die persönlichen Stiefellecker von König Charles II., der seinerseits ein Erzdämon von König Ludwig XIV. war. Und nun hatten sie sich absurderweise vor seinem Haus versammelt.
    Daniel hatte die Arme über dem Kopf geschwenkt, um Drake auf sich aufmerksam zu machen, doch nun begriff er, dass er für Drake wohl nur eine undeutliche schwarze Gestalt vor einer riesigen Lohe, das Uninteressanteste in seinem Panorama war.
    Sämtliche Höflinge hatten sich ein und demselben Mann zugewandt – sogar Drake sah ihn an. Daniel erblickte den Lord Mayor und dachte, die Aufmerksamkeit gelte womöglich ihm – aber der Lord Mayor hatte seinerseits nur Augen für einen anderen. Mit ein paar Schritten zur Seite gewann Daniel eine neue Position auf dem Schutthaufen und sah schließlich einen hochgewachsenen, dunklen Mann in unglaublich prächtiger Kleidung und gewaltiger Perücke, die von einem zornigen Kopfschütteln hin und her schlenkerte. Dieser Mann trat plötzlich vor, griff sich von einem der Gaffer eine Fackel, blickte ein letztes Mal zu Drake auf, bückte sich dann und hielt die Flamme an den Boden. Ein strahlender, qualmender Stern rollte über das Pflaster auf Drakes Haustür zu, die eingeschlagen worden

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