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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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um Buenos Aires, gezüchtet wurden.
    In Salta fand jedes Jahr im März ein großer Viehmarkt statt, auf dem über sechzigtausend Maultiere zusammengetrieben wurden. Dorthin reiste der Padre nun, um die Tiere direkt bei den Züchtern zu kaufen. Und er nahm Qaytu mit, der als Achtzehnjähriger bereits ein Riesenkerl war und ihn auf der Reise beschützen konnte und zudem gut mit Tieren umzugehen wusste. Sie kauften fünfhundert Tiere. Rund hundert behielt der Verwalter für die Manufaktur, die anderen verkaufte er mit Gewinn weiter, sodass er die für die Werkstatt erworbenen Tiere fast umsonst bekam.
    Zu diesem Zweck rief Padre Lucas die Maultiertreiber sowie die Arbeiter aus der Gegend zusammen und überließ jedem von ihnen so viele Tiere, wie er übernehmen wollte. Zunächst waren sie noch von der Manufaktur abhängig, doch wenn sie den erhaltenen Vorschuss über ihre Arbeit abgezahlt hatten, konnten sie sich selbstständig machen. Da die Arbeitsbedingungen bei den Jesuiten aber überaus vorteilhaft für sie waren, blieb der Großteil von ihnen gern an
La Providencia
gebunden, die ihrem Namen, »die Vorsehung«, so alle Ehre machte und sich zu einem Zentrum des Wohlstands entwickelte. Sie zog Indios aus der ganzen Gegend an und erregte dadurch bald die Missgunst der anderen Großgrundbesitzer.
    Qaytu hatte als Maultiertreiber mit nur sechs Lasttieren begonnen, doch bald schon hatte er eine beachtliche Herde beisammen, die es ihm ermöglichte, sich für schwerere Frachten verpflichten |289| zu lassen und Wolle oder Tuch zu transportieren. Sein Ziel war es, zwei Lasttierherden zu besitzen, um feste Routen einrichten zu können. Doch das gefiel einigen
encomenderos
ganz und gar nicht.
    »Sie neideten den Erfolg bereits den Jesuiten, einem einfachen Indio konnten sie ihn erst recht nicht zugestehen. Damals setzte er sich mit mir und Uminas Vater in Verbindung   … Ich mach’s kurz: Es kam das Jahr 1767 und damit die Vertreibung der Jesuiten. Anfangs übernahm die Säkularisierungskommission die Manufaktur«, fuhr Don Luis fort, »die eingegangenen Verpflichtungen mit den Maultiertreibern wurden beibehalten, damit diese ihre Schulden über die Transporte abbezahlen konnten. Qaytu sah darin seine Rettung: Er hatte sehr viele Maultiere angeschafft und sich hoch verschuldet.
    Alles änderte sich, als Alonso Carvajal in Erscheinung trat. Der Großgrundbesitzer war einer derjenigen, die dem Aufstieg der Jesuiten am meisten misstraut hatten und die
encomenderos
anführten. Nun sah er den Augenblick der Vergeltung gekommen. Mithilfe von Bestechungen in Lima und der Einschüchterung des von der Säkularisierungskommission eingesetzten Verwalters gelang es ihm, sich
La Providencia
und das dazugehörige Land zu einem Spottpreis unter den Nagel zu reißen. Damit erwarb er nicht nur eine der besten Tuchmanufakturen Perus, sondern konnte sich auch mitten hineinsetzen in das Geschäft mit den Maultiertransporten, ins Herzstück der Route zwischen Lima, Cuzco und Potosí.
    Dafür benötigte er aber eine ordentliche Finanzierung. Und so trat er an Uminas Vater, Santiago de Silva, heran. Damals kannten weder Santiago noch ich Carvajals wahres Gesicht. Er kann sehr liebenswürdig sein, wenn er will. Er ging in Santiagos Haus ein und aus und erwarb sich dessen Gunst, ebenso wie die seiner Frau Uyán, Uminas Mutter.«
    »Dieser Lump hat eine enge Beziehung zu Uminas Eltern unterhalten?«, rief Sebastián überrascht.
    »Ja. Bis Qayto sich einmischte. Manuel, Uminas großer Bruder, der seinen Vater bei seinen Geschäften unterstützte, schätzte den |290| Maultiertreiber sehr, und von ihm erfuhr er, wie Carvajal die Indios behandelte. Er hatte ihre Abgaben erhöht und zwang ihnen Dinge auf, die sie überhaupt nicht brauchten. Sogar Brillen hat er ihnen verkauft.«
    »Brillen?«
    »Ja. Er hatte aus Versehen eine Kiste Brillen bei einem Schmuggelgeschäft ergattert und wusste nichts damit anzufangen, woraufhin er seinen Indios befahl, mit Brille zum Gottesdienst zu erscheinen. Stellen Sie sich das mal vor: Diese armen Leute, die kaum etwas zu essen hatten, mussten zu einem unerhört hohen Preis etwas kaufen, das sie gar nicht benötigten. Der Unmut der Indios ließ natürlich nicht lange auf sich warten. Carvajal musste es an Qaytus Augen abgelesen haben. Er fühlte sich herausgefordert und wollte ein Exempel statuieren. Er beschloss also, die Maultiere von Qaytu zurückzufordern, die die Jesuiten ihm überlassen hatten, samt der

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