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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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sein. Ihre Entführung ist die Rache, weil sie Ihnen geholfen hat, Ihren Feinden zu entkommen. Das hat dieser Kerl ihr gewaltig verübelt. Noch nie ist er so offen vorgegangen und hat so viel riskiert.«
    »Das macht ihn nur noch gefährlicher.«
    »So ist es. Hier, nehmen Sie das für Umina mit.« Don Luis hielt Sebastián den schwarzen Spiegel aus Obsidian hin. »Er war in ihrem Schlafzimmer, und ich weiß, dass er eine Art Talisman für sie ist.«

|293| Das Hochland
    E ndlich machten sie sich entlang der Küste auf den Weg nach Süden. Kaum, dass die Flussaue des Rímac hinter ihnen lag, führte die Route durch eine trockene Steppe. Gálvez wies Sebastián auf die salpeterhaltige Erde, die kargen Weiden und das wenige Wasser hin, woraufhin dieser beschloss, nicht auf Chilca, sondern lieber auf das Nachbardorf Mala zuzuhalten, wodurch sie noch einmal fünf Meilen gewannen. Qaytu hatte keine Einwände, da er wusste, dass es dort gutes Futter für seine Tiere gab, doch konnte Sebastián dabei feststellen, dass der Maultiertreiber und Gálvez sich nicht sonderlich gut verstanden.
    Zwischen Asia und Llangas, wo die Hängebrücken über die Flüsse in gutem Zustand waren, gab es keine Zwischenfälle. Die Leute waren gastfreundlich und verlangten vernünftige Preise. In Viñac trafen sie auf andere Maultierzüge, die Obst und Gemüse nach Huancavelica brachten. Hier begann der beschwerliche Anstieg, zwischen hohen, verschneiten Bergen hindurch. Die Weiden wurden spärlicher und wandelten sich in die für die raue Hochebene so typische Steppe mit hartem, stacheligem Puna-Gras.
    Die Einsamkeit dieser Gegend hatte etwas Majestätisches. Es gab kaum noch Anzeichen für menschliches Leben, nur hier und da ein paar Pfade, begrenzt von kleinen zeremoniellen Steinhaufen, die die Reisenden hinterließen, nur ganz selten die Ruinen eines Unterschlupfs, in dem man bei Einbruch der Dunkelheit Schutz suchen konnte. Hoch oben in den Lüften kreisten die Kondore, Herrscher über dieses reine, stählerne Blau, und bisweilen sah man ein paar scheue Vikunjas unter der Obhut eines |294| männlichen Tieres, welches beim kleinsten Alarmzeichen mit den Hufen scharrte und einen merkwürdigen Laut ausstieß, woraufhin die ganze Herde flüchtete. Die Kälte war in all ihrer Grausamkeit zu spüren, und morgens waren die Bäche mit einer Eiskruste überzogen, und an den Felsen hingen Eiszapfen. Anfangs waren sie noch dankbar für die kalte Luft des Hochlands gewesen, die ihre Lungen reinigte, jedoch wurde sie bald zunehmend dünner und trockener, sodass jede Bewegung zur Anstrengung wurde und Sebastiáns Hände und Füße anschwollen. Hin und wieder lag ein Tierkadaver am Wegesrand, über den sich dann die Kondore hermachten, scharf beäugt von ein paar Königsgeiern, die es nicht wagten, ihre Schnäbel in das tote Tier zu graben, ehe die Kondore satt waren und ihnen den Platz überließen.
    Dies alles waren unverkennbare Anzeichen dafür,dass sie sich im Herzen des Hochlands befanden. Sie stiegen jedoch weiter hinauf, und die Reise wurde noch beschwerlicher. Von nun an würden sie höchstens in Höhlen nächtigen können und kaum noch Weiden, Wasser oder Holz finden. Auf einmal mussten sie gegen eisiges Schneegestöber ankämpfen,das ihnen feine,harte Hagelkörner ins Gesicht blies. Bald schon war der Pfad nicht mehr zu erkennen. Sebastián ging es nicht gut. Die Höhenkrankheit hatte ihn voll im Griff und machte ihn schwindlig, bis er an einem windgepeitschten Hügel schließlich bewusstlos vom Pferd fiel. Qaytu befahl seinen Maultiertreibern, so schnell wie möglich den nächsten Zufluchtsort anzusteuern. Hätte man den Ingenieur nicht zu der Herberge gebracht, wäre es wohl nicht gut um ihn gestanden.
    Die Herberge war nichts weiter als ein flaches, aus Steinen und Lehm errichtetes und mit Puna-Gras gedecktes Gebäude, neben dem sich ein mit Steinen eingefasstes Tiergehege befand, wo nachts die Maulesel und Lamas untergebracht wurden. Der schmale Eingang war mit einer ungegerbten Lederhaut verschlossen, der Boden bestand aus Lehm, das Mobiliar aus einem Tisch und einer Bank. Die Indios, die dort auf Schafspelzen und Vikunja-Häuten lagerten, machten ihnen neben dem mit Trockenmist entfachten Feuer Platz.
    |295| Das Erste, was Qaytu mit ihnen aushandelte, war der Brennstoff. Es gab nur noch ein paar Disteln, die zu stark qualmten. Deshalb kaufte er den Maultiertreibern eine Ladung von ihrem Pfirsichholz ab, das zwar sehr teuer, aber

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