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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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nahen Bergen herabkam. Große Mauern schützten es vor Lawinen. Diese wiesen jedoch Risse auf, und zahlreiche Felsen drohten abzubröckeln.
    »Siehst du?«, sagte Umina. »Der Ort ist verlassen.«
    Sie deutete auf eine freie Fläche hinter einer breiten, steinernen Freitreppe, die einst wunderschön gewesen sein musste, inzwischen jedoch von Büschen überwuchert war. »Das muss einmal der Marktplatz gewesen sein.«
    »Hier musste Diego de Acuña warten, bis sie ihn zu Túpac Amaru führten.«
    |438| Sie kletterten über vermoderte Baumstämme und gelangten dann über einen mit verfaulten Blättern bedeckten Pfad an eine kleine, sonnenüberflutete Lichtung. Auch hier war niemand zu sehen. Die Bäume, Zedern,
yanais
und
quebrachos,
waren hier wuchtiger und überragten die verfallenen, unter dem Urwaldgestrüpp begrabenen Gebäude. Eines stach jedoch wegen seiner exakt gearbeiteten Quadersteine hervor: der Palast des Inkas, durch ein halbkreisförmiges Bollwerk vor fremden Blicken geschützt. Hinter einer halb verfallenen Mauer stießen sie auf ein Wasserbecken, das von ein paar Ruinen umgeben war.
    »Das muss die Zisterne sein, in der Sírax badete, als Diego über die Lehmmauer stieg und sie überraschte«, rief Sebastián.
    Ein betäubender Geruch, eine Mischung aus dem Duft roter Inkalilien und den Schwefeldämpfen der heißen Quellen, lag in der Luft. Die ringsherum wuchernden Hängepflanzen verliehen dem Ort eine sehr intime Atmosphäre, ohne den wunderschönen Blick auf das Tal zu versperren.
    »Weit und breit kein Menschen zu sehen«, wunderte sich Sebastián, der die Hand über die Augen gelegt hatte und die Bewässerungskanäle, uralten Tempel und riesigen Kornspeicher absuchte. »Wenn Vilcabamba bewohnt sein soll, wo haben sie dann das neue Dorf gebaut?«
    »Vielleicht auf der anderen Seite des Baches«, antwortete Umina.
    Sie deutete auf den letzten Winkel der großen Lichtung, den sie als einzigen noch nicht in Augenschein genommen hatten, weil er sich jenseits des reißenden Bächleins befand, das dort in einem engen Bett entlangströmte und sich nur über einen darüberliegenden, gefährlich gewölbten Baumstamm überqueren ließ.
    Als sie auf der anderen Seite angelangt waren, wandelte sich die Landschaft schlagartig. Dicke Rauchsäulen stiegen hinter ein paar Felsen empor und verrieten endlich menschliches Leben.
    »Wir haben nicht eine einzige verdammte Waffe«, klagte Sebastián, tat es dann aber Qaytu nach, der von einem Baum einen Ast abriss, um ihn als Knüppel verwenden zu können.
    |439| Äußerst vorsichtig drangen sie weiter vor. Der Ort war eindeutig bewohnt. Doch als sie das Dorf betraten, waren sie erschüttert.
    »Mein Gott!«, rief Umina entsetzt aus. »Was hat man diesen armen Menschen angetan?«
    Um sie herum herrschte nur Trostlosigkeit. Dächer lagen auf dem Boden, die Dachbalken waren rußgeschwärzt. Aasvögel umkreisten einen Baum, an dem die verstümmelten Leichen einiger Indios hingen.
    »Das ist Carvajals Werk«, murmelte Sebastián. »Er hat hier Vergeltung geübt. Das ist die Rache für den Tod seiner Männer, die in der eisigen Höhle von den Steinen erschlagen wurden.«
    Qaytu kam mit vor Entsetzen geweiteten Augen aus einem der Häuser. Er versuchte zu verhindern, dass Umina es betrat. Doch sie wollte es sehen, ebenso wie Sebastián.
    Unter den qualmenden Trümmern lagen die Leichen von Alten, Frauen und Kindern. Und in der Luft hing der unverwechselbare Gestank nach verbranntem Fleisch.
    Als sie erschüttert wieder nach draußen drängten, war es bereits zu spät. Das Haus war von bewaffneten Indios umstellt. Und ehe sie sich’s versahen, stürzten sich diese auf sie und schlugen sie erbarmungslos nieder. Am schlimmsten erwischte es Qaytu.
    Nachdem man sie gefesselt hatte, wurde Sebastián vom Boden hochgerissen. Er blinzelte angestrengt,um den Staub loszuwerden, den er in die Augen bekommen hatte. Warum sind sie so gekleidet?, dachte er, als er die merkwürdige Kleidung der Indios bemerkte. Feiern sie gerade ein Fest und wollen ein Opfer darbringen?
    Er hätte gern Umina danach gefragt. Ihm wurde bewusst, wie sehr er inzwischen von ihr abhängig war, um dieses Land und seine Leute zu verstehen. Doch er musste warten, bis sie zusammen auf den großen Platz des Ortes geführt wurden. Dort warf er der jungen Frau einen fragenden Blick zu, die angestrengt der Unterhaltung der aufgebrachten Männer lauschte, um zu erfahren, was los war.
    »Sie glauben, wir gehören zu

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