Quipu
Vertreibung der Jesuiten nach Lima gebracht hatte, jenen Brief an den Archivar Gil de Ondegardo, in dessen Besitz sich die Papiere über das Schwarze Schiff befanden. Und er selbst hatte nun ebenfalls einen Brief dabei, wenngleich an dessen Mutter, María de Ondegardo, adressiert, den der Onkel ihm noch vor seinem gewaltsamen Tode ausgehändigt hatte.
»Hermógenes ist der beste Zimmermann in der ganzen Gegend. Er wohnt dort vorne«, erklärte ihm Paco bald darauf und ritt auf eine armselige Hütte am Wegesrand zu.
Eine Frau mit fünf Kindern, von denen der Jüngste noch keine sechs Jahre alt war, kam ihm entgegen. Sie begann zu weinen, als sie ihn erkannte, und als er sie nach dem Grund ihres Kummers fragte, antwortete sie, Hermógenes sei von Montilla erneut eingezogen worden, obwohl er gerade erst von einer langen Schiffsreise zurückgekehrt sei, und sie wisse nicht einmal, wohin es dieses Mal gehe.
Da ritt der Seiler zurück zu Sebastián, der das Ganze vom Weg aus beobachtet hatte.
»Señor, diese Frau und ihre Kinder haben keinerlei Auskommen und leiden große Not.«
»Und was können wir da tun?«
»Vielleicht könnten Sie ihnen eine Arbeit auf Ihren Ländereien verschaffen? In dem Dorf, in dem wir gerade waren?«
»Einverstanden, ich werde es ihr sagen«, erwiderte der Ingenieur |97| und wollte schon vom Pferd springen, doch Paco hielt ihn zurück.
»Um Himmels willen, nur das nicht! Das würde dem Marqués de Montilla sofort zu Ohren kommen. Ein Fonseca, der sich in die Angelegenheiten seiner Ländereien einmischt: Das gäbe enorme Schwierigkeiten! Wenn sich nämlich herumspricht, dass wir Hermógenes’ Frau helfen, werden Sie weitere Landarbeiter mit ihren Bitten bedrängen. Und Montilla hätte einen guten Vorwand, Sie wegen Aufwiegelei auf seinen Ländereien zu verklagen. Sie dürfen sich auf keinen Fall zu erkennen geben. Erlauben Sie mir, dass ich es ihr mitteile.«
»Dann gib ihr aber auch das hier«, erklärte Sebastián und drückte ihm verstohlen eine Dublone in die Hand, eine der letzten, die er noch hatte.
Nachdem sich die Frau überschwänglich bei Paco bedankt hatte, ritten sie auf dem Gesindeweg entlang Montillas Ländereien weiter. An dem, was Sebastián sah, konnte er erkennen, dass dessen Pächter und Taglöhner weitaus schlechter behandelt wurden als die auf seinen eigenen Gütern. Wie Paco ihm erklärte, weigerten sich die Montillas – auf ihren Einfluss am Hofe bauend –, ihren Landarbeitern bessere Arbeitsbedingungen zuzugestehen, weshalb viele auf die Ländereien der Fonsecas übergesiedelt waren, was der Marqués als Treuebruch ansah. Eine seiner Methoden, sich aufmüpfige Tagelöhner vom Hals zu schaffen, sei es, sie zu den Milizen abzukommandieren, und er zögere auch nicht, sie auf seinen Schiffen nach Amerika einzusetzen, obwohl es gesetzeswidrig sei, Väter aus kinderreichen Familien heranzuziehen, da diese sonst ohne Unterstützung dastünden.
»Durch das alles hat sich der alte Groll zwischen den Montillas und den Fonsecas nur noch verstärkt. Deshalb sollten wir so schnell wie möglich von hier verschwinden«, schloss der Seiler und wollte seinen Rappen schon mit der Peitsche antreiben, als er plötzlich innehielt. »Sie haben mich doch nach diesem Grab gefragt, Señor. Ich denke, Sie sollten sich einmal in der Burg Ihrer Familie umschauen. Zwar liegt sie in einer gefährlichen Gegend |98| und ist in einem ziemlich schlechten Zustand, aber Ihr Vater hat sie sehr geliebt, er hat dort in der Kapelle Ihre Mutter geheiratet. Und da befinden sich mehrere Gräber.«
Sebastián horchte auf. »Und ist in einen der Grabsteine vielleicht so ein Knoten gemeißelt, wie du ihn neulich gesehen hast?«
Paco überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. »Ich habe zwar die Schmuggelware immer in der Kapelle abgestellt, aber daran kann ich mich nicht erinnern.«
»Welche Schmuggelware?«, fragte Sebastián verwundert.
»Keine Ahnung, es waren verplombte Kisten. Sie wurden auf den Schiffen mit einer Boje versehen und in der Bucht von Cádiz über Bord geworfen, damit die Zöllner sie nicht zu Gesicht bekamen, und dann bin ich frühmorgens mit einem Ruderboot hinausgefahren, habe sie eingesammelt und auf die Burg gebracht. Ihr Vater erwähnte jedenfalls einmal, dass er die Bleisiegel aufbewahren wolle, um eine der Gruften damit zu versiegeln, deshalb dachte ich, es könnte vielleicht sein, dass …«
»Dann lass uns sofort hinreiten«, fiel Sebastián ihm aufgeregt ins
Weitere Kostenlose Bücher