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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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oder einen guten Lotsen an Bord.
    An der Einfahrt zur Werft musste der Vorarbeiter den Zweispänner nur kurz anhalten. Die Wachen kannten ihn gut, weshalb sie bloß einen kurzen Blick auf den Lieferauftrag für die Seile warfen und die Fracht auch nur oberflächlich inspizierten. Auf dem Werftgelände lenkte Paco die Pferde zur Plaza de Armas und dort an den Wohnhäusern vorbei zur Zahlmeisterei, wo sie eine gute Weile auf den Stellvertreter des Kommandanten warten mussten. Während dieser dann zusammen mit einem Zollinspektor die Lieferung überprüfte, nahm der Seiler Sebastián beiseite.
    |109| »Erinnern Sie sich noch an Hermógenes, Señor? An den Zimmermann, der von Montilla zwangsverpflichtet wurde? Ich vermute, dass er hier irgendwo arbeitet. Hier werden die Schiffe klar zum Auslaufen nach Amerika gemacht. Wir waren vor vielen Jahren mal Kameraden auf See, und ich würde ihn gern suchen, um ihm zu erzählen, dass seine Familie auf Ihren Ländereien ein Auskommen gefunden hat.«
    Auf der gesamten Werftanlage herrschte geschäftiges Treiben. Staunend hörte der Militäringenieur Paco zu,der ihm erklärte,wie viele Arbeitsgänge in der Werft mühevoll aufeinander abgestimmt werden mussten und welch breit gefächertes Netz über das ganze Königreich nötig war, um alle Materialien dafür herbeizuschaffen.
    »Bitte warten Sie hier, Señor«, sagte der Seiler auf einem Areal, das zum Wasser hin steil abfiel.
    Zwei bereits fertige Kiele lagen hier in Nord-Süd-Richtung, damit die Sonne das Holz von beiden Seiten trocknen konnte und es sich nicht ungleichmäßig verzog. Während Sebastián die Schiffsrümpfe bestaunte, ihre Eleganz und klaren Linien, ging der Seiler zu einem befreundeten Handwerker, den er hinter einem Stapel Schiffsplanken entdeckt hatte.
    »Wie weit seid ihr mit eurem Schiff?«
    »Da gibt es noch viel zu tun. Wir warten auf mehr Holz aus Málaga, damit wir bis zum ersten Deck weiterbauen können.«
    »Und das daneben?«
    »Um das schneller voranzubringen, bräuchten wir gut hundert Arbeiter zusätzlich, Sägewerker, Handlanger   … Zu allem Unglück müssen wir auch noch auf unseren besten Zimmermann verzichten.«
    »Auf wen? Hermógenes?«, wollte Paco neugierig wissen.
    »Ja. Es war fest abgemacht. Er wollte eine Weile an Land bleiben. Aber er wurde offensichtlich wieder eingezogen.« Der Zimmermann senkte die Stimme. »Unter uns gesagt, da ist irgendwas faul mit einem Schiff. Sie haben einen Teil der Werft eingezäunt und unter strengste Bewachung gestellt. Keiner darf durch, und alles wird streng geheim gehalten.«
    |110| »Und wo haben sie abgesperrt?«
    »Kennst du das Trockendock, in das das Wasser von der Isla León geleitet wird und wo die Druckfestigkeit der Rümpfe geprüft wird? Das neben dem Schuppen für das Werg und dem Platz, wo die Segel gefertigt werden?«
    »Ja, das kenne ich.«
    »Da musst du vorbei und auch noch an der Pechsiederei, dann stehst du direkt davor. Nicht einmal zu den Molen fürs Be- und Entladen lassen sie einen durch.«
    »Und zu den Seilereien?«
    »Zu denen auch nicht.«
     
    Wie der Zimmermann es ihnen gesagt hatte, gelangten sie problemlos bis zu dem Dock, wo einige Segelmacher gerade aus unterschiedlichem Tuch gefertigte Drachen steigen ließen, um die Einwirkung des Windes darauf zu prüfen. Doch weiter kamen sie nicht. Das ganze Gebiet war abgesperrt, und für die Militärpatrouille war sogar ein Geschützstand errichtet worden.
    »So etwas habe ich hier noch nie erlebt«, murmelte Paco auf dem Weg zurück zur Zahlmeisterei. »Lassen Sie uns Folgendes machen, Señor: Ich kassiere jetzt das Geld für die abgelieferte Ware und danach gehen wir erst mal in die Schenke. So viel Bares auf die Hand muss begossen werden, das gibt es schließlich nicht alle Tage! Und heute Abend beim Schichtwechsel versuchen wir dann Hermógenes ausfindig zu machen oder zumindest herauszubekommen, wo er seine Schlafstatt hat.«
    Eine halbe Stunde später drückte Paco Sebastián einen dicken Beutel mit Münzen in die Hand.
    »Passen Sie gut darauf auf, Señor. Da steckt eine Menge Arbeit drin«, brummte er und drehte sich dann abrupt von ihm weg. »Und jetzt brauche ich einen kräftigen Schluck.«
    Sebastián entgegnete nichts. Aus Pacos Worten hatte er deutlich einen Hauch Traurigkeit, wenn nicht gar Verbitterung herausgehört. Wie viele Hoffnungen der Seiler doch auf dieses Geld gesetzt hatte   …
    |111| Als es zu dämmern begann, kehrten sie zum Dock zurück. An der

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