R4ge Inside
getrieben. Ich dachte schon, sie würde ihn aus dem Schlafzimmer werfen und dazu zwingen, in der Scheune zu übernachten.
Der Regen war schlimmer. Sie fand es furchtbar, wenn die Wolken sich tagelang vor die Sonne schoben. AuÃerdem war ihr ständig kalt. Es war nicht die Art von Kälte, die sich vertreiben lieÃ, indem man ein zweites Paar Socken oder noch einen Pullover anzog. Nein, das war eine andere Kälte. Diese Kälte kroch ihr in die Knochen und keine noch so dicke Kleidung konnte sie wieder vertreiben.
Clementine hatte das Walkie-Talkie ganz unten in ihren Rucksack gesteckt. Sie hatte mit Nathan vereinbart, dass sie sich ungefähr alle halbe Stunde melden würde. Die Funkgeräte nicht zu benutzen hatte sie überhaupt erst in diese Situation gebracht.
Sie wünschte, sie hätte das Walkie-Talkie einschalten und Michaels Stimme hören können. Nur damit sie wusste, dass es ihm gut ging und er noch lebte.
Brandis sicheres Haus lag in einer SeitenstraÃe der Granville Street. Es war nicht weit. Wenn sie sich auf der Rückseite der Häuser durch die Gärten schlichen, konnten sie in zehn Minuten dort sein.
»WARNUNG. WARNUNG. DIE STADT IST ABGESPERRT. NIEMAND DARF HINEIN ODER HINAUS.«
Sie rannten um ein altes zweistöckiges Haus herum, um den weiÃen Transporter auf der StraÃe zu umgehen.
»Jedes Mal wenn ich die Durchsage höre, weià ich nicht, ob ich zusammenzucken oder hysterisch lachen soll«, murmelte Raj, als sie unter eine Veranda krochen.
»Ich weiÃ, was du meinst«, sagte Clementine, während sie sich duckte, um einem Netz mit einer dicken braunen Spinne in der Mitte auszuweichen. »Wir sollten besser vorsichtig sein. Die Hetzer sind in der Nähe.«
Es gelang ihnen, Brandis Häuserblock ohne gröÃere Zwischenfälle zu erreichen. Der weiÃe Transporter war abgebogen und fuhr in Richtung Innenstadt, die Warndurchsage wurde mit jeder Minute leiser.
»Das ist merkwürdig«, sagte Clementine. Sie hatten den Anfang des Blocks erreicht. In einiger Entfernung konnte sie das weià und grün gestrichene Haus sehen. Sie war zweimal hier gewesen. Brandis Team war gut eingespielt. Auf der StraÃe waren immer zwei oder drei Wachen. Eine war normalerweise immer dort, wo sie jetzt gerade standen, hinter einer provisorischen Barrikade, die von der StraÃe aus nicht zu erkennen war. Brandi saà oft stundenlang dort.
Doch niemand war zu sehen. Zwei leere Getränkedosen und eine halb geleerte Packung Studentenfutter waren die einzigen Hinweise darauf, dass bis vor Kurzem jemand hier gewesen war.
»Wir sollten vorsichtig sein«, mahnte Raj. Regen tropfte aus seinen lockigen Haaren, während er seine klammen Hände anhauchte.
Clementine nickte. Ihre Haare klebten am Kopf. In einer anderen Welt würde sie jetzt einen knallroten Schirm über sich halten, vielleicht sogar einen mit weiÃen Tupfen. Stattdessen fühlten sich ihre blonden Locken wie Eiszapfen auf ihren Ohren an. Sie hüpfte ein paarmal auf und ab, um wieder Gefühl in ihre tauben Zehen zu bekommen.
Sie hielten sich in den Schatten der Häuser, während sie weiter die StraÃe hinuntergingen. Viele Gebäude wirkten verrammelt. Bei einigen waren die Vorhänge zugezogen. War es möglich, dass sich noch andere Ãberlebende hier versteckten? Oder waren Brandi und ihre Gruppe von Haus zu Haus gezogen und hatten alle Fenster und Türen geschlossen, damit ihr eigenes sicheres Haus nicht so auffiel?
Ene, mene, miste, es rappelt in der Kiste. Setz ein paar Ãberlebende auf die Liste. Wenn sie schreien, töte sie.
Es war so still.
Erst nach der Invasion der Hetzer war Clementine so richtig bewusst geworden, wie still es an einem Ort werden konnte. Und das, obwohl sie Stille gewohnt war. SchlieÃlich war sie auf einer Farm aufgewachsen. Glenmore war nicht gerade dafür bekannt, dass dort viel los war. Ãber siebzig Prozent der Einwohner waren schon über sechzig. Frauen, die den ganzen Tag Bridge spielten, gingen nicht nächtelang auf Partys. Selbst die StraÃen waren ruhig und ohne viel Verkehr. Als kleines Mädchen hatte sie immer ihre Bücher mit auf die Felder genommen und sich im hohen Weizen versteckt. Sie hatte den Grillen zugehört und die Augen geschlossen, während der Wind leise durch die Halme strich. Sie hatte die Einsamkeit genossen und für selbstverständlich gehalten.
Früher
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