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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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nicht mehr ertragen und schloss die Augen. Die Worte meiner Großmutter schnitten mir wie ein dünner Draht durch alle Schichten und drohte meine Selbstbeherrschung zu zerstückeln.
    Ich erinnerte mich an damals, als wären erst Tage vergangen. Meine Mutter hatte gesagt, sie würde vorausfahren, damit sie mir mein Zimmer herrichten könnte - in unserem neuen Zuhause. Sie hatte mir befohlen, auf meine Großmutter zu hören, brav zu sein. »Du musst nicht lange warten. Ich komme dich bald holen«, hatte sie versprochen.
    Ich hatte nicht einmal gewagt sie zum Abschied zu umarmen, weil ich zuvor im Dreck gespielt hatte und schmutzig war. Schmutzig wie ein Tier. Sie hatte mir den Kopf getätschelt, und jetzt, hier in dieser Bibliothek, spürte ich genau das Gefühl von damals, als ich die Tränen zurückzuhalten versucht hatte.
    Mit dem Auto des Nachbarn waren sie zum Bahnhof gefahren, und das war das letzte Mal, dass ich sie gesehen hatte.
    »Ich habe so lange gewartet.«
    »Ich weiß«, sagte der General. »Aber sie liebte dich!«
    »Wer ist hier der Lügner?«
    »Sie liebte dich wirklich, aber sie war ein Feigling!« Der General schnippte angewidert mit den Fingern. »Sie hatte keinen Mumm. Sie war weiß Gott keine starke Frau!«
    »Immerhin stark genug, um die Mädchen in Sicherheit zu bringen. Vielleicht vor mir, wer weiß das schon.«
    »Das stimmt nicht - sie brauchte die Mädchen nur, um sich an ihnen festzuhalten.«
    Ich überdachte diese Aussage. Mein Kopf schmerzte fürchterlich, und mit den Händen rieb ich mir über die Schläfen.
    »Hör zu, Aki. Ich möchte, dass du meine Arbeit hier übernimmst«, sagte sie unerwartet. »Ich habe so lange dafür gekämpft. Und es trägt sich bereits selbst. Die Forstwirtschaft, der Export und auch der Steinbruch mit den Schotterwerken. Der Verwalter leistet hervorragende Arbeit.«
    Ich war noch so gefangen in meinen Erinnerungen, dass ich erst gar nicht verstand, worauf sie hinaus wollte.
    »Ich spreche von deinem Erbe. Wir können es erhalten, auch ohne weiteres Kapital. Ich habe Orlík, bis auf ein paar private Räume, für die Touristen geöffnet. Und die Einnahmen aus dem Holzexport und der Landwirtschaft reichen vollkommen aus, um dir ein mehr als angenehmes Leben zu ermöglichen.«
    Mein Erbe? Nein danke, ich war mit dem Erbteil, den ich bereits erhalten hatte, mehr als bedient. »Verkaufe es von mir aus. Ich will es nicht!«
    Der General atmete scharf ein.
    Meine Stimme wurde drängender. »Und wenn du das nicht willst, kannst du es immer noch meinen Schwestern vererben. Es dürfte nicht schwierig sein, sie aufzufinden. Erben verstecken sich gemeinhin nicht, wie du weißt.«
    »Niemals!« Sie sprang von ihrem Stuhl auf und kam, so schnell es ihre müden Beine erlaubten, hinter dem Schreibtisch hervor.
    Ich wollte ihr gar nicht erst die Möglichkeit bieten, auf mich einzureden.
    »Dann werde ich es tun, und du kannst dich im Grabe rumdrehen!«, drohte ich.
    »Das kannst du nicht!«, sagte sie plötzlich triumphierend. »Ich habe gewusst, dass du so reagieren würdest und Vorkehrungen getroffen, die das verhindern.«
    »Was hast du getan?«
    »Ich habe mein gesamtes Liegenschaftsvermögen in eine Stiftung eingebracht.«
    Es würgte mich im Hals. Ich hatte das Gefühl, als würde mein Adamsapfel von einer eisernen Faust zerquetscht.
    »Ja«, sagte der General überlegen. »Eine Familienstiftung! Es war die einzige Möglichkeit dein Majorat, dein Vorrecht des Ältesten, zu sichern und gleichzeitig zu verhindern, dass das Erbe veräußert oder geteilt wird. Du kannst also nichts dagegen tun.«
    Innerlich sackte ich zusammen. Mir wurde es übel bei dem Gedanken, vom General so überrumpelt worden zu sein.
    »Der Stiftungszweck ist klar festgelegt«, fuhr sie ihren Siegeszug fort. »Der einzige Zweck ist die Versorgung aller meiner leiblichen Verwandten. Da dies deine Schwestern nicht ausschließt, musste ich dafür Sorge tragen, dass die Erbfolge, anders als es bei mir war, ausschließlich den männlichen Nachkommen vorbehalten ist. Du gelangst also in den Genuss von zwei Dritteln der ausgeschütteten Mittel. Du stehst an erster Stelle!«
    Ich hatte das Gesicht mit den Händen bedeckt. Der Drang, den General irgendwie zu verletzen, wurde beinahe übermächtig.
    »Du bist ab dem dreißigsten Lebensjahr vorsitzberechtigt«, erklärte sie. »Und das ganze Erbe ist gesichert und wird niemals geteilt werden können. Vererbt wird allein der Ertrags- und Fruchtgenuss der

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