Rabenblut drängt (German Edition)
durcheinanderbringt.«
Er nickte leicht, was man durchaus auch als angedeutete Verbeugung interpretieren konnte. Hoffentlich würde er sich nicht bemüßigt fühlen, ›Sehr wohl, Euer Durchlaucht‹ zu sagen. Andernfalls müsste ich mir überlegen, ob der General es schicklich finden würde, wenn ich ihm die Kaffeekanne an den Kopf warf.
»Sehr wohl, -«
Statt der Kaffeekanne warf ich ihm einen solchen Drohblick zu, dass er augenblicklich verstummte. Ich ließ die Serviette fallen und stand auf.
»Du entschuldigst uns also?«
Die nächsten beiden Stunden ließ ich mich von Šimon durch das Schloss führen. Der älteste Teil des Gebäudes stammte aus dem dreizehnten Jahrhundert. Er erzählte mir von mehreren Bränden, die die Burg zerstört hätten und von dem spätgotischen Umbau, der 1588 durch Renaissance-Einflüsse zu großen Veränderungen geführt hatte.
»1802 wurde, wiederum bei einem Brand, die Fassade völlig zerstört und das Schloss direkt um ein ganzes Stockwerk erhöht. Sein charakteristisches Aussehen hat es erhalten, als in den Sechzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts die Fassade renoviert wurde.«
Ich konnte nur mit Mühe ein Gähnen unterdrücken. Es war nicht so, dass mich die Historie des Schlosses nicht interessierte, aber ich hatte während meiner Kindheit genug Erzählungen darüber lauschen müssen, sodass ich bei Šimons erläuternder Tonlage beinahe sofort in eine Art Dämmerzustand hineinglitt. Auch die komplexen genealogischen Zusammenhänge hatte der General in derselben Menge in mich hineingegossen, wie andere Großmütter ihre Enkelkinder mit Kakao tränkten.
Ich hatte den Stammbaum von hunderten von Jahren auswendig lernen müssen, um ihn bei passender Gelegenheit rezitieren zu können. Natürlich kam diese Gelegenheit nie. Aber der General hatte es als seine Pflicht angesehen, die Aufgabe, die vielleicht meinem Großvater, zumindest aber meinem Vater zugekommen wäre, gewissenhaft zu übernehmen. Sie sprach über unsere Ahnen nie, als handelte es sich nur um wohlklingende Namen auf einem Stück Papier, sondern stets ausgeschmückt und mit zahlreichen Anekdoten gespickt, als hätte sie sie persönlich gekannt.
Wir betraten den Teska-Saal, dessen geschnitzte Kassettendecke mich überaus beeindruckte. Die meisten Räume waren bereits renoviert und vollständig möbliert. Die Einrichtung entstammte überwiegend dem Empirestil. Mahagoni-, Zedern- und Ebenhölzer mit zahlreichen Applikationen aus Goldbronze erfüllten perfekt den Zweck der Repräsentation. Ich sah Samtpolster und Marmorplatten und sich wiederholende Motive aus der griechischen oder ägyptischen Kultur, wie zum Beispiel vergoldete Löwenfüße unter einem Teetisch.
Woher hatte der General die Mittel, um all das hier aufzubauen und noch viel wichtiger: Woher nahm sie die Mittel, um das alles hier zu unterhalten? Es musste ein Vermögen verschlingen.
Voller Stolz zeigte mir Šimon eine bedeutende Sammlung alter Orden und Ehrenzeichen und ich lächelte höflich, als er mir die einzelnen Symbole zu erklären suchte. Anschließend bat ich ihn, mich zu meiner Großmutter in die knihovna zu bringen.
Es gab mehrere Eingänge zur Bibliothek. Šimon führte mich durch eine gut anderthalb Meter breite Tür, die in eine Bücherwand eingelassen war. Der Raum wirkte bedrückend durch das dunkle Holz, das jeden Zentimeter der Zimmerwände einnahm. Neben einem rindsledernen Sofa stand ein kolorierter, antiker Globus auf hölzernem Fuß und der Boden war mit dicken Teppichen ausgelegt.
Der Raum war gut geheizt und in einer Ecke des Zimmers entdeckte ich die Quelle dieser Wärme: ein mannshoher, grüngekachelter Ofen. Von der geschnitzten Decke hing zwar ein mehrarmiger Lüster, aber in Anbetracht der Tageszeit brannte nur eine kleine Messinglampe auf einem der Schreibtische. Die Regale waren bis zum letzten Platz mit dicken Folianten bis hin zu kleinsten Gedichtbänden gefüllt. Es waren keineswegs nur antike Bücher, wie ich mit einem Blick feststellte, denn sie zeigten ihren Rücken in allen erdenklichen Farben.
Der General saß am Schreibtisch, den Blick mir zugewandt. Sie hatte ihre Brille bis zum Rand ihrer gebogenen Nase hinuntergeschoben und musterte mich darüber hinweg. Šimon hatte sich nach meinem Eintreten diskret zurückgezogen.
»Ich hoffe, du hast einen Überblick erhalten, Aki«, sagte sie und runzelte die Stirn, wobei ich mir nicht sicher war, inwieweit sich diese Falten überhaupt glätten ließen,
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