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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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er.
    Anscheinend war er immer noch ziemlich empfindlich, dachte ich, konnte aber meinen Triumph nicht richtig auskosten. Denn eigentlich hatte er mir doch gar nichts getan. Außer mir den Schlaf geraubt, aber dafür konnte er ja nichts. Warum also musste ich so furchtbar zickig sein? Vielleicht sollte ich ihm einfach eine Chance geben und ihm nicht nur mit Misstrauen begegnen. Es konnte sicher nicht schaden, mal etwas freundlicher zu sein.
    Ich folgte ihm nach draußen. Es war ein ungewöhnlich heller Tag. Der Himmel zeigte sich hellblau und nahezu wolkenlos. Deshalb war es also letzte Nacht so kalt gewesen. Auf den ersten Blick konnte ich den Eremiten nirgendwo entdecken. Dann sah ich ihn hinter meinem Häuschen verschwinden.
    Mir fiel der Rabe ein, den ich dort verbuddelt hatte, und ich vermutete, dass er nach dem Grab sah. Es war schon seltsam, wie sehr er an dem Tier hing. Ob es wohl zahm gewesen war? Es war ja möglich, dass er den Vogel selbst dressiert hatte. Es gab schließlich nicht wenige Menschen, denen es gefiel, sich wilde Tiere zu halten.
    Aber ein im Wald hausender Eremit mit einem Vogelkäfig war nun wirklich eine absonderliche Vorstellung. Vielleicht war das Tier ebenfalls von den Hunden angegriffen worden? Irgendwie musste es doch zu erklären sein, das es gestorben war.
    Während ich darüber nachdachte, untersuchte ich die Fahrräder und hantierte eine Zeitlang mit der Luftpumpe herum, bis Alexej zurückkam.
    »Wir fahren mit dem Fahrrad?« Es klang erleichtert, und sein rollendes ›R‹ vibrierte angenehm in meinen Ohren.
    »Mit dem Auto geht es leider nicht. Ich denke nicht, dass du darüber besonders traurig bist, oder?«
    »Nicht im Mindesten.« Er lächelte zwar, aber sein Blick wirkte abwesend. Ich hätte ihn gerne gefragt, warum ihn der Tod des Vogels so sehr erschütterte, aber irgendetwas hielt mich davon ab.
    »Ich bin schon eine Ewigkeit nicht mehr Fahrrad gefahren«, gestand er.
    »Das verlernt man doch nicht«, wollte ich ihn aufmuntern.
    »So sagt man.«
    Wieder so ein seltsamer Satz von ihm. »Manchmal sprichst du wirklich sonderbar.«
    »Tue ich das?«
    »Ja, das tust du.«
    »Ich bin vielleicht etwas konservativ erzogen worden«, versuchte er zu erklären. »Wir haben das altmodische Deutsch unserer Großeltern gelernt. Heute sprechen die meisten Tschechen lieber Englisch, wenn sie sich mit Ausländern unterhalten.«
    »Wir?«
    »Ich. Ich meine ich, natürlich.«
    Ach so. Ich nickte ihm kurz zu und schwang mich, ohne ein weiteres Wort, auf das Rad. Den Rucksack hatte ich auf den Gepäckträger geschnallt.
    Wir fuhren eine knappe halbe Stunde, bis wir die Stelle erreichten, die uns Marek auf der Karte markiert hatte. Trotz seiner Sorge schien Alexej keine Schwierigkeiten beim Fahren zu haben. Wir stellten die Räder am Wegesrand ab und suchten uns einen Pfad durch das Unterholz. Ich versuchte den genauen Ort mit dem Kompass zu lokalisieren, während Alexej einfach durch den Wald streifte. Es war windig, und selbst unter dem Schutz der Bäume hatte ich Mühe, die Karte zu lesen, weil der Wind sie mir immer wieder zusammendrückte. Ich kämpfte mit dem knisternden Papier, als ich Alexej plötzlich rufen hörte.
    »Wir suchen nach Tieren, die von Luchsen gerissen wurden? Habe ich das richtig verstanden?«
    »Eigentlich suchen wir die alten Risse. Wir müssen kontrollieren, ob ein Luchs zurückgekommen ist.«
    »Und wenn du dabei zufällig über ein totes Tier stolperst, was machst du dann?«
    Jetzt wurde ich neugierig, faltete die Karte grob zusammen und ging in seine Richtung. »Dann markiere ich die Stelle und versehe sie anschließend mit Fallen. Wieso? Hast du was gefunden?«
    »Einen Rothirsch. Sieht so aus, als hätte ihn eine Raubkatze erwischt.«
    Klar!, dachte ich ironisch. Ich stapfte über den unebenen Waldboden zu ihm hinüber. Tatsächlich lag neben ihm ein gewaltiges braunes Bündel.
    »Der ist ja riesig! Woher willst du wissen, dass das eine Raubkatze war?«, fragte ich.
    »Schau mal hier!« Er bückte sich über den Kadaver und schob den schlaffen Kopf des Tieres zur Seite. »Ein gezielter Kehlbiss. Es sind nur die Löcher zu sehen, an denen die Eckzähne eingedrungen sind.« Er hatte keinerlei Hemmungen, den toten Hirsch zu berühren und zog ihn an einem Hinterbein nach oben.
    »Hat am Muskelfleisch angefangen zu fressen. Luchse bevorzugen das eindeutig. Außerdem hätte ein Wolf oder Fuchs wohl eher die Bauchdecke aufgerissen.«
    Ich schüttelte fassungslos den

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