Rabenblut drängt (German Edition)
Marek gewesen, da war ich mir sicher, denn sein Haus lag genau in der anderen Richtung. Und Janosch konnte es ebenfalls nicht gewesen sein, weil ich ihn nur wenig später hörte, als er grölend nach Hause torkelte. Erstaunlich, wie gut er sich bis heute Morgen erholt hatte. Training war anscheinend alles.
Die Gestalt war im Wald verschwunden. Es war nur ein Schatten gewesen, ein dunkler Umriss einer menschlichen Figur, und trotzdem war ich mir fast hundertprozentig sicher, dass es Alexej gewesen war. Ich fragte mich, was er zu dieser Zeit im Wald zu suchen hatte, und musste an die Nacht denken, als ich ihn in der Küche überrascht hatte. War er da nicht ebenfalls aus dem Wald gekommen? Zumindest hatte er es nicht abgestritten, als ich ihn mit dieser Vermutung konfrontiert hatte. Fühlte er sich im Wald einfach wohler als im Haus, weil es seine gewohnte Umgebung war? Reine Spekulation, denn ich wusste ja nicht, ob er wirklich im Wald gehaust hatte wie ein Eremit.
Aber er hatte es genossen, im Wald zu sein. Zumindest bis zu dem Moment, als er den Rothirsch gefunden und sich so seltsam benommen hatte. Er hatte so etwas Gieriges an sich gehabt - fast schon Raubtierhaftes. Und in der Nacht in der Küche, war es da nicht ebenfalls dieses blutige Fleisch gewesen, das ihn angelockt hatte? Das war ganz schön gruselig.
Vielleicht hatte ich aber auch schon Halluzinationen. Mein Vater hatte mich davor gewarnt, ich würde in dieser Einöde bestimmt verrückt werden. Eine Kleinstadtpflanze wie ich würde wunderlich, wenn nicht sogar richtig plemplem. Ich hatte das als netten Versuch angesehen, mich wohlwollend aufzumuntern, aber inzwischen kam mir diese Möglichkeit nicht mehr ganz so abwegig vor.
Was das Landleben mir noch zu bieten hatte, sah ich nämlich, als Janosch kurz darauf mit seinem uralten McCormick-Traktor angerattert kam. Er stellte die Zapfwelle an und ließ eine ganze Fuhre Holz so dicht an meiner Hütte herunterpurzeln, dass ich schon befürchtete, es würde mir die Hauswand einreißen.
Dann platzierte er mir einen riesigen Hauklotz neben den Stapel und spaltete mit einer Axt noch ein paar Späne ab, die er mir wortreich übergab.
» Děkuji ... pěkně ?«, bedankte ich mich unsicher, und Janosch fuhr unter lautstarkem Tuckern wieder davon. Ich stöhnte erst einmal über den Berg, den ich nun zu bezwingen hatte. Bis ich die Scheite einigermaßen ordentlich aufgeschichtet hatte, war eine knappe Stunde vergangen. Das machte nun wirklich keinen Spaß, vor allem, wenn man sich alle paar Minuten fiese Splitter in die Haut trieb. Aber ich sollte nicht jammern, schließlich würde ich es jetzt wenigstens warm haben. Im Haus kramte ich nach Zeitungspapier, fand aber nur eine alte Ausgabe von Laras Fachzeitschrift › Silva Gabreta ‹. Ich hoffte sehr, dass sie mir verzeihen würde, und stopfte einige Seiten davon in den Feuerraum. Sie qualmten mehr, als dass sie brannten. Gab es eigentlich jemanden, der sich noch dämlicher dabei anstellte, ein Feuer in Gang zu bringen?
»Mist verdammter!«, schimpfte ich, weil das Holz viel zu groß für die Ofenöffnung war. Wütend stapfte ich nach draußen, knallte ein Stück auf den Hauklotz und wog die Axt in meinen Händen. Bei Janosch hatte es ja nicht besonders schwer ausgesehen.
Ich hob sie hoch, und das Gewicht warf mich beinahe um. Die Axt landete neben mir auf dem Boden.
Wenigstens war meinen Füßen nichts passiert. Ich hob das Teil erneut hoch, visierte mein Ziel an und ließ die Axt durch die Luft surren. Ich verfehlte das Holzstück nur knapp, und die breite Klinge krachte in den Stamm darunter, wo sie fest steckenblieb. Fluchend stemmte ich mich mit ganzer Kraft dagegen.
Nichts geschah.
Das durfte doch nicht wahr sein! Mir brach der Schweiß aus. Ich hängte mich an den Holzstiel und ruckelte verzweifelt daran.
»Kann ich dir behilflich sein?«
Ich kreischte auf, und mein Blick flog in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Alexej lehnte, lässig wie immer, an Mareks Schuppen.
»Wie lange stehst du schon da rum?«, fauchte ich ihn an.
Er lächelte nachsichtig. »Eine Weile.«
Reichte es nicht, sich wie ein schwächliches Weibchen aufzuführen? Musste man dabei auch noch beobachtet werden?
»Du brauchst gar nicht erst rot zu werden«, versicherte er mir und schlenderte dabei in meine Richtung. Mein Körper hielt allerdings nicht viel von seinen Beschwichtigungsversuchen und glühte auf.
Alexej schob mich zur Seite und hebelte mit einer
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