Rabenherz & Elsternseele
sich auf einmal merkwürdig. Zuerst blieb er stehen und blickte sich nach allen Seiten um. Als hätte er etwas Verdächtiges entdeckt, entfernte er sich vom Auto und spähte in eine Art Gartenlaube, die als Picknickplatz diente und am anderen Ende des Hofes stand. Anschließend kehrte er um und lief ebenso angespannt auf die Stelle zu, wo Strix mit der Kamera gestanden haben musste. Das Bild wackelte kein bisschen, obwohl der Falkner immer näher kam. Ich hielt die Luft an. Doch von Meutinger starrte nur einen Moment lang direkt in die Kamera, als könne er sie sehen. Dann ging er zum Auto zurück. Erleichtert atmete ich aus.
»Guck hin«, mahnte Strix, und ich guckte.
Von Meutinger holte ein letztes Ding aus dem Kofferraum. Es sah aus wie ein riesiger Vogelkäfig, der mit einem Tuch bedeckt war, und der Falkner musste ihn mit weit ausgestreckten Armen tragen. Als er ihn zum Turm schleppte, wackelte der Käfig in seinen Händen gewaltig, und jetzt erst machte sich bemerkbar, dass die Kamera auch den Ton aufgezeichnet hatte. Aus dem Käfig drang ein markerschütternd lauter, schriller Vogelschrei.
Jori zuckte hinter mir zusammen. Ebenso waren offenbar die Vögel auf der Burg von dem Kreischen aufgerüttelt worden. Aus den Holzverschlägen im Burghof antworteten verschiedenartige Vogelstimmen. Und wenn ich genau hinhörte, glaubte ich, auch aus dem Turm Schreie zu hören. Doch um sicher sein zu können, war die Aufnahme zu schlecht, und sie endete in dem Moment, als von Meutinger noch einmal herauskam. Er zeigte auf sein Auto, die Lichter blinkten, dann war der Film zu Ende.
»Wahnsinn«, sagte ich. »Wie konntest du so ruhig bleiben, als er auf dich zugekommen ist? Und wieso hat er dich nicht bemerkt?«
Strix lehnte sich lässig zurück. »Ich habe nur die Kamera auf einem Mauersockel im Efeu versteckt, auf Daueraufnahme gestellt und mich hinter die Mülltonnen vom Restaurant geduckt. Blöd ist nur, dass der Speicher der Kamera so schnell voll war. Das Schreispektakel ging danach noch eine ganze Weile weiter. Von Meutinger ist echt sauer geworden.«
»Jori möchte ihn gerne fragen, ob er ihr seine Vogelsammlung zeigt«, sagte ich und erwartete fast, dass Strix heftig widersprechen und ihr davon abraten würde, aber er blickte nur nachdenklich zwischen uns beiden hin und her.
»Mit einer freundlichen Bitte habe ich bis jetzt immer bekommen, was ich wollte«, meinte Jori.
Strix zog einen Mundwinkel nach oben und seine Augen lachten, aber er schwieg.
»Aber was, wenn an dieser Kotanwi-Geschichte etwas dran ist und von Meutinger gleich erkennt, was du bist? Auch wenn er sich nicht auf dich stürzt, ist er dann auf jeden Fall gewarnt. Und wenn er uns mit dir in Verbindung bringt, sind wir alle verdächtig und können nichts mehr erreichen.«
»Kotanwi-Geschichte? Was meinst du damit?«, wollte Strix wissen.
»Das ist so eine Theorie von meiner Oma und meinem Vater. Sie haben Notizen dazu gemacht.«
»Hast du die hier?«
»Dieser Märchenkram ist doch total weit hergeholt. Vielleicht hat dieser von Meutinger gar nichts mit der Sache zu tun«, sagte Jori.
»Oh doch, das hat er. Darauf verwette ich mein Fahrrad«, meinte Strix. »Er hat sich an Bubos Mutter rangemacht, und zwei Monate später ist Bubo von einem Nachtflug nicht zurückgekehrt. Da muss es einen Zusammenhang geben.«
»Ich verstehe nicht, wieso seine Mutter nichts tut«, sagte ich.
»Sie weiß nicht, was Bubo ist. Sie interessiert sich nicht besonders für ihn und glaubt, er treibt sich bloß herum. Sein Vater lebt schon lange von ihr getrennt, in Argentinien. Und sein Großvater, der Bescheid wusste, ist vor einem halben Jahr gestorben.«
»Dann ist er ja echt aufgeschmissen«, sagte ich.
»Nicht halb so sehr wie ich, wenn ich meine Mutter nicht finde. Immerhin hat er überhaupt noch jemanden«, stieß Jori hervor.
»Wir werden deine Mutter schon zurückholen.« Falls sie noch lebt, dachte ich. Aber das sagte ich nicht laut.
Strix sah mich an. »Was ist mit deinem Vater? Kann der uns nicht helfen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Mein Vater lebt nicht mehr. Und mein Papa … der ist ahnungslos. Ihn oder Mama einzuweihen ist keine gute Idee. Die beiden werden uns nur davon abhalten, selbst etwas zu unternehmen.«
Nachdem wir noch eine Weile überlegt und schließlich festgestellt hatten, dass uns nur wenige Möglichkeiten blieben, einigten wir uns auf einen groben Plan. Da Joris Fuß schon beinah wieder normal aussah, würde sie am
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