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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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nie abgelegt. Nie. Oder? Automatisch stand ich auf, um ins Schlafzimmer zurückzugehen und auf ihrem Nachttisch nachzuprüfen, was ich glaubte, gesehen zu haben.
    Das kratzende Geräusch von Zweigen, die im Wind gegen die Hauswand schlugen, brachte mich dazu, mich noch einmal umzudrehen. Nur deshalb hörte ich das kurze, leise Rascheln, das aus Richtung des Papierkorbs kam, der unter dem Schreibtisch stand. Hatte sich eine Maus ins Haus verirrt? Vorsichtig ging ich um das große Möbel herum und wollte den Stuhl zurückziehen, der weit unter den Tisch geschoben war. Aber er hing fest, ich musste zerren und verlor fast das Gleichgewicht, als er sich schließlich löste. Die Maus würde schon über alle Berge sein. Ich beugte mich vor, um in den Papierkorb zu spähen.
    Der Schreck ließ mir beinah mein Herz durch die Rippen springen. Ich schrie auf, wich zurück, stolperte dabei über den Stuhl und landete auf meinen Knien. Aus der Schreibtischhöhle hatte mich ein Wesen angestarrt, das entschieden größer war als eine Maus. Entsetzt sah ich noch einmal hin.
    Das Wesen rührte sich nur insofern als es seinen Kopf in den Händen vergrub. Es trug eine Bluse meiner Oma. »Oma?«, fragte ich ungläubig.
    Die Antwort war eine Mischung aus Schluchzen und Lachen. Je mehr meine Augen sich an die Dunkelheit unter dem Tisch gewöhnten, desto mehr konnte ich sehen. Der Papierkorb war voll Keksverpackungen und Chipstüten. Und das Wesen war zu schlank und jung, um Oma zu sein.
    Es war ein Mädchen. Sie hob den Kopf und funkelte mich wütend an. »Na los, hol schon die Polizei!«
    Mein erster Gedanke war, dass sie etwas mit Omas Verschwinden zu tun haben könnte und ein Anruf bei der Polizei keine schlechte Idee war. Das Telefon stand direkt über ihr auf dem Tisch. Andererseits schien das Mädchen nicht viel älter zu sein als ich. Ich erhob mich vorsichtig und rieb mein schmerzendes Knie. »Wer bist du?«
    »Jedenfalls nicht deine Oma. Wüsste auch gern, wo die ist«, fauchte sie.
    »Was hast du mit Oma zu tun? Und warum drückst du dich hier im Haus herum? Wie bist du überhaupt hereingekommen?«
    »Durch die Dachluke geflogen«, sagte sie bissig. »Was glaubst du denn? Ich wollte deine Oma besuchen und Kaffee mit ihr trinken.«
    Ich wollte gerade anfangen, mich über ihre Zickigkeit zu ärgern, da schluchzte sie wieder. Was auch immer sie hergetrieben hatte, es war offenbar kein dummer Scherz. »Komm doch erst mal da raus«, sagte ich.
    »Danke, aber hier ist es sehr bequem. Kannst du nicht einfach abhauen?«
    »Spinnst du? Entschuldige mal, aber dieses Haus gehört nicht dir, sondern meiner Oma, und wenn es sie irgendwann nicht mehr gibt, dann wird es mir gehören. Und ich werde dich nicht einfach hier drin meine Lieblingskekse auffuttern lassen. Komm da jetzt raus!«
    »Das ekelhafte Zeug sind deine Lieblingskekse? Hätte ich mir denken können. Hör zu, lass mich einfach in Ruhe, und morgen bin ich weg, ja? Ich versprech es dir.«
    »Du kommst sofort heraus und erklärst mir, was du hier machst, oder ich rufe die Polizei.«
    Sie verbarg ihren Kopf wieder zwischen den Händen. »Mach doch.«
    Ihr Schluchzen war echt nicht zum Aushalten. »Hey, ich will dir doch nichts Böses. Warum erzählst du …«
    »Also gut«, schrie sie. Mühsam kroch sie unter dem Tisch hervor und richtete sich auf. Sie war etwas kleiner als ich, hatte dunkelblonde Haare, die sauber und schick zu einem kurzen Bob geschnitten waren. In ihrem hübschen, aber schmerzverzerrten Gesicht leuchteten hellbraune, fast goldene Augen. Außer der Bluse meiner Oma trug sie eine von meinen alten Jeans, die noch hier in der Kommode gelegen hatten. Ich weiß nicht, warum ich mir über ihre Socken Gedanken machte, erinnere mich aber, dass ich bewusst ihre Füße betrachtete. Es dauerte einen Moment, bevor ich begriff, was ich sah. Dann wurde mir schwummrig, und ich setzte mich auf den Schreibtischstuhl.
    Das Mädchen hatte nur einen Fuß. Ihr zweites Bein stützte sie auf eine deutlich ausgebildete, große Greifvogelklaue, gelbbräunlich, schuppig und mit bedrohlichen Krallen ausgestattet.
    »Super«, sagte sie, »jetzt kipp mir hier noch um.« Auf ihrem menschlichen Fuß hüpfte sie zur Tür, machte sie zu, drehte den Schlüssel im Schloss und zog ihn ab. Sie wandte sich wieder zu mir um. »Du hast es nicht anders gewollt.«

Jorinde Isabeau
    W
ährend ich sprachlos auf meinem Stuhl saß und das Mädchen einfach nur anstarrte, steckte meine neue Bekannte den

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