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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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bedrückte Miene bemerkte, erinnerte ich mich daran, was Oma am nächsten Tag bevorstand.
    Deshalb war mir beim Abschied dann doch mulmig zumute. Zum Glück hatte Oma keine Angst.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, erkundigte Mama sich auf dem Heimweg.
    »Meinst du wegen Omas Operation?«
    »Ja. Ich dachte, sie hätte vielleicht mit dir darüber gesprochen. Für den Fall … Na ja, für den Fall, dass etwas schiefgeht.«
    »Oh. Nein. Wir haben über alles Mögliche gesprochen. Ich glaube, Oma macht sich gar keine Sorgen, dass die Ärzte das nicht hinbekommen.«
    Mama legte die Stirn in Falten und sah angestrengt auf die Straße, blinkte, bog ab, schwieg. Ich wusste, dass sie noch etwas sagen wollte, und wartete geduldig.
    »Hm. Sag mal … Glaubst du, dass Oma, so wie … so wie vielleicht dein Vater, als Vogel weiterleben würde, wenn sie stirbt? Und du … Weißt du etwas darüber?«
    Ich hätte einfach »Nein, keine Ahnung« sagen können. Aber in Wahrheit beschäftigte mich dieses Thema schon seit Oma zum ersten Mal erwähnt hatte, dass das freche Elsternmännchen mit den interessanten Sprachfähigkeiten der Seelenvogel meines Vaters Leander sein könnte. Konnte womöglich jeder Vogelmensch nach seinem Tod auf diese Art weiterleben? Würde Oma das wollen? Ich selbst hätte es ganz sicher getan.
    »Ich weiß nichts. Aber ich hoffe, dass Oma es tun würde.«
    Montagmorgen stand fest, dass Strix sein Rad wieder benutzen durfte, und am Vormittag starteten wir zur Erkundung der Vogelscheuchenwiese.
    Es war kälter geworden, morgens hatte Raureif auf den kahlen Ästen der Kastanie gelegen, wie ich bei einem Blick aus dem Fenster gesehen hatte.
    Wir fanden schnell heraus, von wo aus wir die Obstwiese betreten konnten. Schwieriger wurde es, zwischen den alten Obstbäumen, wilden Sträuchern und kniehohem Gras die Orientierung zu behalten. Im Schatten der Bäume war es noch eisiger als auf der Straße. Wir traten aus der äußeren Baumreihe hervor, und Strix zeigte auf das entferntere Ende der Wiese.
    »Da steht sie.«
    Die schwarze Gestalt wandte uns den Rücken zu. Mit weit ausgestreckten Armen und dunklem Hut stand sie da. In der rechten Hand hielt sie einen Stock. Ihr Mantel hing ganz ruhig da, wie steifgefroren. Ich schauderte und merkte, dass ich schon wieder kurz davor war, mich nicht mehr bewegen zu können. Zuerst dachte ich, dass es wegen des Gartens war, neben dem die Vogelscheuche sich befand.
    Meine Elsternsinne hatten jedoch längst herausgefunden, was der Grund für meine Panik war. Ich konnte den Blick nicht von der Vogelscheuche abwenden. Sie verbreitete Dunkelheit und Schrecken, ein Gefühl von Enge und Ersticken.
    »Es ist gar nicht der Garten«, flüsterte ich.
    Strix hatte mich genau beobachtet. »Du meinst, es ist dieses Ding?«
    Ich nickte. »Es ist grauenhaft.«
    Ungläubig starrte er die Vogelscheuche an, dann wieder mich. »Ich kann zwar sehen, dass es dir ernst ist, aber ich fühle das immer noch nicht. Für mich sind das zwei Stöcke mit einem Mantel, einer hässlichen Rübe und einem Hut.«
    Wild schüttelte ich den Kopf. »Da ist noch mehr. Hass und Grausamkeit.«
    Ich schlang die Arme um mich. Besorgt strich Strix mir über die Schulter. »Ich nehme an, du kannst nicht näher herangehen, oder? Ist es in Ordnung, wenn ich es mal versuche? Vielleicht kann ich das Mistding einfach zerlegen, und dann ist Schluss mit dem Spuk.«
    Hilflos zuckte ich mit den Schultern.
    Man sah Strix an, dass er sich nicht fürchtete. Unbefangen marschierte er auf die Vogelscheuche zu. Nur das letzte Stück schlenderte er, mit den Händen in den Jackentaschen, und blickte sich in den umliegenden Gärten um. Draußen war kein Mensch zu sehen, der ihn hätte beobachten können.
    Nur noch zwei Schritte trennten ihn von der grauenvollen Gestalt. Jetzt streckte er die Hand nach dem Mantel aus. Ich hielt die Luft an, mein Herz raste. Spinn doch nicht, Pia! Gleich würde er der Scheuche den Mantel herunterreißen, und es würde nichts übrig bleiben als ein paar Stöcke, eine alte Rübe und ein Hut. Meine Hände krallten sich ineinander. Reiß dich zusammen, Pia!
    Strix berührte den Mantelärmel.
    Waaah! Die Vogelscheuche fuhr mit wehendem Mantel herum, verpasste Strix dabei mit der freien Hand eine Ohrfeige und starrte ihn mit ihrem hasserfüllten Rübengesicht an. Ihn? Nein, mich! Ich schrie auf.
    Strix rannte schon auf mich zu wie beim Hundertmetersprint, aber ich konnte mich nicht rühren. Über die halbe Länge der

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