Rabenherz & Elsternseele
Jori, als Strix und ich nach Hause kamen. Von Oma gab es noch nichts Neues.
»Was habt ihr gemacht?«, fragte Jori. Ihre freundliche Stimme passte nicht zu ihrer misstrauischen Miene.
Zum Glück klingelte das Telefon in dem Moment, und Mama ließ uns allein.
Strix setzte sich und hängte lässig einen Ellbogen über die Stuhllehne. »Wir haben herausgefunden, warum der Garten, von dem Pia neulich erzählt hat, so gefährlich ist.«
Jori lehnte sich im Stuhl zurück und faltete die Hände im Schoß. »Ist er tatsächlich gefährlich?«
Immerhin stöhnte sie nicht gleich genervt auf, was sie mir allein gegenüber bestimmt getan hätte. Ich verschränkte die Arme und überließ Strix das Reden.
Er nickte. »Nach dem, was Pia dort erlebt hat und was ich heute gesehen habe, bin ich froh, dass ich keiner von euch Fliegenden bin. So was Unheimliches habe ich noch nie erlebt.«
Aufmerksam hörte Jori zu, während er von unserer Begegnung mit der Vogelscheuche berichtete. Ich beobachtete ihr Gesicht und konnte erkennen, dass sie ihm glaubte. Vor Anspannung biss sie sich auf die Unterlippe und sah auch dabei mal wieder aus wie ein Serienstar. Ich musste einen Schwall Eifersucht unterdrücken, weil Strix sie beim Erzählen die ganze Zeit ansah.
Als er fertig war, hielt sie sich mit beiden Händen den Kopf und stöhnte. »Das wird ja immer besser. Zum Kuckuck, Pia, über diesen ganzen Mist müssten wir uns keine Sorgen machen, wenn du mit Frau Winterstein zusammenarbeiten würdest. Wenn ich mir vorstelle, dass ich diese Plage für immer loswerden könnte … Warum bist du bloß so bockig?«
Ihr solltet keine Gegner sein , hörte ich Omas Stimme in meinem Kopf sagen.
Ich räusperte mich und holte tief Luft. »Mal angenommen, du hättest mit dem Verwandeln keine Schwierigkeiten, das heißt, es würde nichts schiefgehen und du könntest darüber bestimmen … Würdest du deine … deine Gabe dann immer noch loswerden wollen? Gibt es denn nichts daran, das du magst?«
»Falls ich etwas daran mag, dann ist es jedenfalls nichts im Vergleich zu dem Ärger, den die Sache macht. Ich kann sie nun mal nicht kontrollieren. Und deshalb finde ich …« Sie kniff die Lippen zusammen und suchte nach den richtigen Worten. »Es ist einfach erniedrigend. Ich fühle mich machtlos, wenn ich mich verwandeln muss. Das ist grässlich, und ich hasse es. Und ich mag es auch nicht, dass ich es nicht lassen kann, Tauben zu schlagen, sobald ich sie sehe. Sogar, wenn ich satt bin.«
Wenn es mich nicht so überrascht hätte, wie all das aus ihr heraussprudelte, hätte ich vielleicht gelacht. Sie wusste also selbst, wie futtergierig sie war. »Was die Tauben angeht, kann ich dir wohl nicht helfen. Aber bei den Verwandlungen. Oma hat vorgeschlagen, dass wir zusammen üben könnten. Wenn ich Bubo und dir erkläre, wie ich es mache, funktioniert es bei euch vielleicht auch.«
Sie sah mich an, als hätte sie gerade eine Fliege verschluckt. »Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Du wirst uns bestimmt vorschwärmen, wie einfach das Verwandeln ist. Du tust, als hätte ich es nicht allein auch schon versucht.«
Strix nahm einen trockenen Toastbrotkanten und strich mit einem benutzten Messer Kirsch-Vanille-Marmelade darauf. Er mochte sie genauso gern wie ich. »Möglicherweise hat Pia Tipps für dich, die du noch nicht kennst. Schließlich ist sie Spezialistin. Frau Winterstein will ja nicht umsonst ausgerechnet ihre Hilfe.«
»Auch falls Pia Bubo und mir etwas beibringt, bleibt es egoistisch. Was ist mit all den anderen? Wenn dieses Vogelfängerlied fertig ist, wird es jeden erwischen, der nicht in seiner Menschengestalt ist.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Selbst wenn die Geschichte mit dem Lied wahr wäre … Ich weiß nicht, warum Frau Winterstein glaubt, dass ich so viel bewirken kann. Das ist doch noch ein Grund mehr, auszuprobieren, ob ich Bubo und dir helfen kann. Wenn es nicht klappt, beweist das ja wohl, dass ich für den Plan nutzlos bin. Gerade dann sollten wir uns lieber überlegen, ob wir der Kotanwi-Verschwörung nicht auf andere Weise ein Bein stellen können.«
Strix hatte den Mund voll, brummte aber zustimmend, bevor er schluckte und wieder sprechen konnte. »Und dafür üben wir an der fiesen Vogelscheuche. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr finde ich, dass der Rübenkopf unbedingt wegmuss.«
Jori runzelte die Stirn. »Gut. Aber zuerst soll Pia uns ihre tollen Tipps geben, damit ich entscheiden kann, ob sich
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