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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Rabenvögel sind eine Pest! Es hatte gute Gründe, dass Raben, Krähen und Elstern früher fast bis zur Ausrottung dezimiert wurden. Sie sind Saaträuber, Nestplünderer, Jungtiermörder, Diebe, Krawallmacher, und sie verschmutzen alles.
    Hermann Kantenschneider
    Der Artikel über Rabenvögel hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht gelten diese Tiere nicht umsonst als Unglücksbringer und Todesboten. Ihre unheimliche Ausstrahlung und ihre Verknüpfung mit dem finsteren Heidentum hat mich schon immer verstört. Ich könnte auf ihren Anblick gut verzichten und hoffe, dass sie in naher Zukunft aus dem Stadtbild verschwinden.
    Christine Pfeiffer
    Dem Verfasser (…) kann ich nur beipflichten. Gerade in diesem Frühjahr musste meine kleine Tochter mit ansehen, wie eine Elster das Nest eines armen Blaumeisenpärchens überfallen und zerstört hat. Dabei hatten wir uns so darauf gefreut, uns die frisch geschlüpften Küken anzusehen.
    Tanja Tölz
    Ein weiterer, ganz kurzer Brief hatte dasselbe Thema. Was war denn hier los? Waren die alle durchgedreht? Auch wenn es mir selbst kurz durch den Sinn gegangen war, als der Rabe uns angegriffen hatte, glaubte ich nicht, dass in der Stadt eine Rabenvogelplage herrschte. Das hätte ich ganz sicher längst bemerkt. Es konnte kein Zufall sein, dass sich auf einmal so viele Leute über ein paar Vögel aufregten, die ganz natürliche Dinge taten. Dabei hatten wir uns so darauf gefreut, uns die frisch geschlüpften Küken anzusehen. Warum waren ein paar Meiseneier wichtiger als die hungrige Elster? Wer weiß, vielleicht hatte sie ja ihre eigenen Küken füttern müssen? Und überhaupt, wer wollte schon nackte Jungmeisen sehen? Die waren zwar wahrscheinlich lecker, aber echt hässlich. Ups!
    Erschrocken über mich selbst schüttelte ich mich. Dabei fühlte ich einen elenden Juckreiz hinter meinem rechten Ohr, wie von einem Riesenmückenstich. Als ich mich mit gekrümmtem Zeigefinger kratzen wollte, merkte ich, dass mir ein paar Federn gewachsen waren. Au weia. So etwas war mir noch nie passiert. Ob es daher kam, dass ich mich so über diese Rabenvogelfeinde aufregte? Unruhig ging ich zum Garderobenspiegel und sah mir die Bescherung an. Zwei bildschöne schwarze und eine schwarz-weiße Feder, die aussahen, als hätte ich sie mir hinter das Ohr gesteckt, um meine Haare zu schmücken.
    Nun gut, damit konnte ich leben. Nicht so hingegen mit den verrückten Leserbriefschreibern. Entschlossen nahm ich Papier und Kugelschreiber aus der Küchenschublade, überlegte gründlich und verfasste eine brillant argumentierende Antwort auf den Quatsch, den die anderen geschrieben hatten. Das beschäftigte mich so, dass ich es fertigbrachte, eine Weile nicht an Oma zu denken.
    Danach kehrte die Sorge um sie allerdings zurück. Fast gleichzeitig tauchte Jori in der Küche auf, die ein Gesicht machte, als hätte sie gerade sechs Stunden Mathe ohne Pausen gehabt und dann noch mit ansehen müssen, wie jemand ihren Schulrucksack aus dem Fenster in den Schulteich warf.
    Sie setzte sich und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. »Ich hasse es, Experimente zu machen. Was du da vorhast – diese Verwandlungsübungen –, das bedeutet jede Menge Ärger, wetten?«
    Ich zuckte die Achseln. »Vielleicht. Aber stell dir vor, wie viel Ärger du dir in Zukunft ersparen könntest, wenn es funktioniert.«
    Sie seufzte. »Wenn es aber nicht funktioniert, wirst du dann noch einmal mit Frau Winterstein sprechen? Es wär ja möglich, dass sie eine andere Idee hat, warum es bei dir so gut klappt und bei uns nicht. Sie hat Bubo ihre Telefonnummer gegeben. Wir könnten sie heute Abend anrufen.«
    »Du gehst ja schon davon aus, dass wir heute Nachmittag nichts erreichen. Es wäre bestimmt hilfreicher, wenn du wenigstens versuchst, daran zu glauben.«
    Verächtlich stieß sie die Luft aus. »Mann, du klingst wie deine Oma.«
    Ihr Tonfall und ihre Wortwahl machten mir mal wieder deutlich, dass ich sie nicht leiden konnte. Zum einen war es nichts Schlechtes, wie Oma zu klingen, zum anderen war es unmöglich von ihr, ausgerechnet jetzt etwas gegen Oma zu sagen. Eingeschnappt beschloss ich, fürs Erste kein Wort mehr mit ihr zu reden, nur um gleich wieder Omas Stimme im Ohr zu haben. Sei geduldig, Pia-Schatz. Ich holte tief Luft, um das Gespräch mit einem freundlichen Satz zu beenden.
    Jori stand auf und ging zum Kühlschrank. Auf dem Weg warf sie mir über die Schulter einen arroganten Blick zu. »Diese Federn hinter deinem

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