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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Ohr sehen übrigens beknackt aus. Kannst du es dir nicht verkneifen, auch noch damit herumzuprotzen, dass du gelegentlich ein Gefieder trägst?«
    Die Luft, die ich für den freundlichen Satz gesammelt hatte, entwich aus mir wie aus einem zerstochenen Ballon. Wortlos stand ich auf und ging nach draußen, wo ich mich märtyrerhaft überwand und die Reifen von Omas Fahrrad aufpumpte, damit die Habichtszicke es beim Fahren leichter hatte. Mensch, Oma, da hattest du mir vielleicht eine Aufgabe gegeben!
    Mit zusammengebissenen Zähnen rammte ich die Luftpumpe wieder in ihre Halterung an meinem Rad. Ein leises Wusch , ein Flattern, und Leander landete auf meinem Fahrradlenker. Unwillkürlich lächelte ich. Er hatte etwas im Schnabel, das ich zuerst nicht erkannte, legte den Kopf schief und blickte mich mit vor Schalk funkelnden Augen an. »Hallo, Kumpel«, begrüßte ich ihn.
    Manchmal antwortete er dann mit einem »Hallo-komm-rein«, doch dieses Mal wandte er sich meiner glänzenden Klingel zu. Nun sah ich, dass er eine Schraubenmutter dabeihatte. Er pickte nach der Klingel – ping!  – und keckerte gurgelnd, ohne den Schnabel zu öffnen. Begeistert wiederholte er das Geräusch wieder und wieder, wurde dabei immer wilder, bis er auf dem Fahrradlenker einen flügelschlagenden, irren Tanz aufführte. Ich musste mich vor Lachen auf den Boden setzen.
    Schließlich ließ er die Schraubenmutter fallen, keckerte, flog einen beneidenswerten Looping und ließ sich dann wippend auf dem Dach des Fahrradschuppens nieder.
    Ich wusste, was er wollte. Glücklich zog ich mir im offenen Schuppen meine Oberteile aus und schwang mich im null Komma nix zu einer Fortgeschrittenen-Flugstunde in die Luft. Was für ein Leben! Niemals würde ich darauf freiwillig verzichten. Niemals!

Corax
    F
ür unsere Verwandlungsexperimente wählten wir den sichtgeschützten Platz bei der Quelle in Omas Garten. Auch Leander war dabei. Neugierig beobachtete er uns von einer alten Buche aus.
    Strix setzte sich auf einen großen Stein in der hinteren Ecke des oberen Gartens, von wo aus er uns zusehen und gleichzeitig überblicken konnte, ob ungebetene Gäste auftauchten. Er war der Einzige von uns, der mehr als bloß einen Bademantel trug. Wir hatten vereinbart, dass er wegsehen würde, wenn wir nackt waren, aber wir alle waren uns einig, dass es Wichtigeres gab, als das bisschen Peinlichkeit.
    Schließlich standen Jori und Bubo mir mit erwartungsvollen, aber auch misstrauischen Mienen gegenüber, und ich kam mir zuerst vor wie eine Hochstaplerin. Wenn ich mir überlegte, seit welch kurzer Zeit ich es erst mit der Verwandlung zu tun hatte, dann war ich im Vergleich zu den beiden eine blutige Anfängerin. Ich atmete tief durch. »Also gut. Wir fangen damit an, dass ihr euch überlegt, was ihr am Vogelsein liebt.«
    Jori rollte die Augen und schwieg vielsagend.
    Bubo seufzte. »Es geht doch gerade darum, dass wir es nicht lieben, Vögel zu sein. Mäuse fressen, Gewölle auswürgen, angreifende Krähenschwärme, Hochspannungsleitungen, Sturmböen … Das kann man doch nicht lieben.«
    Geduld, Pia! , mahnte ich mich. »Kommt schon, denkt mal einen Moment darüber nach, dann werden euch sicher ein paar Kleinigkeiten einfallen, die ihr mögt. Das Fliegen zum Beispiel. Ihr könnt mir nicht erzählen, dass ihr es nicht mögt, fliegen zu können.«
    »Na ja, das schon«, stimmte Bubo zu. Jori ließ zumindest ein »Hm« hören, das nicht völlig ablehnend klang.
    »Also, wenn ihr gern fliegt, dann müsstet ihr doch eure Flügel lieben, eure Federn. Ich liebe alles, was damit zu tun hat. Auch, dass meine Knochen so leicht sind und ich mich besser zurechtfinde. Ich liebe es, wie ich mein Gefieder aufplustern oder anlegen kann. Mir ist nie zu kalt, und zu heiß war mir bisher selten.«
    Bubo nickte. »Du hast recht. Ich mag an meinem Gefieder, dass es so weich ist. Es macht beim Fliegen überhaupt kein Geräusch. Und die kleinen Federn neben meinem Schnabel hier …«, er wischte mit seinen Fingerknöcheln so uhuhaft an seiner Nase entlang, dass ich schmunzeln musste, »… die sind wirklich toll! Ich kann mit ihnen genauso gut tasten wie mit meinen Fingern. Manchmal wünschte ich, ich hätte so etwas Praktisches auch als Mensch. Mit meinen Klauen ist es ähnlich. Natürlich will ich als Mensch keine Klauen haben, aber wenn meine Hände so stark wären wie meine Uhuklauen, das wäre krass.«
    »Super. Da fällt dir bestimmt noch mehr ein. Was ist mit dir, Jori?«,

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