Rabenmond - Der magische Bund
Unter Erde und Staub kamen wundersame Gerätschaften ans Tageslicht... metallene Räder, schimmernde Platten und Scheiben... was sich nicht zu Waffen verarbeiten ließ, wurde im Versammlungshaus aufbewahrt, zu Ehren der schweigenden Vergangenheit.
Wenn Baltibb nichts zu tun hatte, ging sie zu Nethustra in die Bibliothek. Oft beobachtete sie auf dem Weg die Krieger, die unermüdlich auf dem Platz übten. Nethustra sagte, dass das Wissen ihre größte Waffe im Kampf gegen die Drachen sei. Aber Baltibb hatte insgeheim ihre Zweifel. Was nutzte es, Redner in die Dörfer zu schicken, um die Menschen zu bekehren, wenn die Menschen schwach, dumm oder feige waren? Am Ende ging es doch in jedem Gefecht darum, wer am stärksten war. Ein Krieg wurde mit Blut bezahlt, nicht mit klugen Worten.
Eines Tages fasste Baltibb Mut und betrat den Kampfplatz. Unter den Männern erkannte sie Beron wieder, den Kommandanten der Krieger, sowie einige Ausbilder aus Modos und Ghoroma. Als sie Baltibb bemerkten, senkten sie die Waffen. Ein paar Schritte entfernt blieb sie stehen und zog die Schultern hoch. Der Wind heulte in den Ruinen und jagte die Wolken durch den Himmel, sodass sich das Tageslicht ständig veränderte.
»Ich würde gerne auch üben«, sagte Baltibb.
Beron war der Erste, der reagierte. »Schön, was willst du üben?«
Sie ließ den Blick über den Platz schweifen und merkte, dass ausschließlich Männer da waren. Nur eine Frau stand bei den Bogenschützen. Zwei... drei Frauen. Drei Frauen unter mehr als dreißig Männern.
»Schwerter«, sagte Baltibb. »Ich hatte schon mal einen Säbel.«
Die Männer runzelten die Stirn. »Also gut. Also dann... such dir einen Partner. Warte, ich hole dir jemanden.« Beron drehte sich um und packte den nächsten Krieger an der Schulter. Es war ein schlaksiger Junge mit finsteren Augen und dichtem, struppigem Haar.
»Matis, das ist Baltibb - Baltibb, Matis. Sie möchte gerne mit uns trainieren. Ich hole ein Schwert.« Er eilte zu einem Bretterverschlag am Rande des Platzes und kehrte mit einem zerfurchten Holzschwert und einem Harnisch zurück. »Hier, leg das an«, sagte er zu Baltibb. Gehorsam zog sie den Harnisch über, er roch nach Heu und altem Schweiß und lag schwer auf ihren Schultern. Sie band die Schnüre an ihrer Seite so fest, wie es ging, dann nahm sie das Holzschwert entgegen.
»Los!« Beron und die anderen Männer traten zurück, um ihren Kampf zu beobachten. Eine Weile umkreisten Baltibb und der Junge einander. Er wirkte gelangweilt und musterte Baltibb auf eine Art, die sie verunsicherte. Sie umklammerte den Schwertgriff und holte zum Schlag aus. Der Junge wehrte geschickt ab und glitt zur Seite. Dann ließ er mit offensichtlicher Absicht einige Augenblicke verstreichen, ehe er zum Angriff überging. Baltibb parierte seinen Schlag und spürte, dass nicht seine ganze Kraft dahintersteckte. Er nimmt mich nicht ernst, dachte sie bitter. Sie trat nach seinem Schwert, drehte sich und traf ihn unter die Brust.
Beron klatschte, die anderen stimmten mit ein. Baltibb warf ihnen einen kurzen Blick zu und war sich nicht sicher, ob ihr Lächeln spöttisch war.
Grimmig rieb der Junge sich die Stelle, wo sie ihn getroffen hatte. Dann packte er seine Waffe und griff an. Diesmal gab er ihr keine Zeit, sich vorzubereiten. Sein Schwert sauste von unten auf sie zu, doch Baltibb sprang zur Seite und holte aus. Blitzschnell wirbelte er herum, und ehe sie sichs versah, traf sie die Holzklinge hart gegen den linken Arm. Mit einem Aufstöhnen ließ sie ihr Schwert fallen.
»Gut gekämpft!«, rief Beron ermutigend und klatschte, doch Baltibb hatte noch immer das Gefühl, dass man sie belächelte. Sie hob ihr Schwert auf und warf einen raschen Blick von Krieger zu Krieger. »Könnt ihr mir ein paar Tricks zeigen? Dann würde ich gerne noch mal antreten.«
Matis runzelte überrascht die Stirn. Beron lachte.
Von nun an verbrachte Baltibb jede freie Minute auf dem Kampfplatz. Die Flüchtlinge aus den Gilden und die Gelehrten mochten reden, aber zuletzt würde das Schwert über den Sieg entscheiden. Sagte Nethustra nicht selbst, dass die Geschichte der Menschen von Gewalt vorangetrieben wurde? Kein Kaisertum war je gestürzt, keine Revolution geführt worden ohne Blutvergießen.
Von den Kriegern wurde Baltibb lange nicht so ernst genommen wie von Nethustras Debattierrunde. Sie spürte sehr wohl, dass niemand gegen sie antreten wollte, weil sie es als Zeitverschwendung betrachteten, sich mit
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