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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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sein. Die Kaiserin sah abwesend ins Leere wie ein unbewegtes Gemälde.
    Lyrian schritt davon. Die mächtigen Türflügel wurden ihm von knienden Dienern geöffnet, und wie die Sicherheit es vorschrieb, verwandelte er sich auf der Schwelle in den Fuchs. Er hörte, wie die Türen sich hinter ihm schlossen, und der neblige, süße Lärm der Festlichkeiten war mit einem Mal verschluckt. Der Fuchs begann zu laufen und erreichte das Ende des Korridors: Abrupt fiel der Boden in die Tiefe ab und war deshalb nur von Drachen begehbar. Er sprang hinab und beschwor die Schwalbenflügel herbei. Er landete etwas unbeholfen in der Mitte der großen Halle und wechselte aus Gewohnheit in den Jungen zurück. Ihm blieben die Schwalbenflügel und ein paar Federn an den Schläfen, als er durch die matt beleuchteten Gänge schlich.
    Irgendwann kam er vor den Gehegen der Wildtiere an und fragte sich, ob seine Füße ihn vielleicht doch absichtlich hergetragen hatten. Geraschel und hin und wieder ein Knurren begleiteten Lyrian, während er die schmalen Kieswege entlangschritt. Es war kühl, die Luft roch nach Schnee und Frost und einem Wind, der lange durch Wolken gestrichen war.
    Plötzlich hörte er leises Winseln und blieb stehen. Er war bei den Käfigen der Hunde angekommen. Ein Welpe lag auf dem nackten Steinboden, ausgestoßen von seiner Mutter, die kaum ein paar Schritte weiter mit ihren übrigen Jungen schlief.
    Lyrian lief ans Ende der großen Halle. Eine kleine, runde Tür verbarg sich in den Schatten, selbst im Tageslicht kaum bemerkbar. Baltibb und ihr Vater wohnten dahinter in zwei Zimmern, die sich über den Abgrund beugten wie ein Schwalbennest. Lyrian klopfte heftig an die Tür, bis dahinter Geräusche erklangen.
    Baltibb erschien mit einer runden Laterne. Im Licht verwandelte sich ihr verwirrter Ausdruck in Schrecken, als sie den Prinzen erkannte, und Röte stieg ihr ins Gesicht.
    »Euer Majestät...«
    »Baltibb, da ist ein verstoßener Welpe!«
    Jahrelanges Hinnehmen seiner Launen hatte sie gelehrt, keine Fragen zu stellen. Also rief sie ohne Zögern in die Dunkelheit der Wohnung: »Ich bin gleich zurück!« Dann zog sie die Haustür hinter sich zu und folgte Lyrian im Eilschritt.
    Die Hündin hob den Kopf, als der Lichtschein über sie fiel. Vier schwarze Welpen krochen dichter an sie heran. Der Blick des Tieres wanderte zwischen Baltibb und Lyrian hin und her, doch das Winseln des fünften Jungen schien sie gar nicht zu hören.
    »Wieso kümmert sie sich nicht um ihr Kind?«, fragte Lyrian dumpf. Baltibb schloss das Tor auf und näherte sich dem Welpen.
    »Heute früh sind sie zur Welt gekommen. Ich wusste nicht, dass sie eins verstoßen hat.«
    Als Lyrian ihr ins Gehege folgen wollte, gab die Hündin ein Knurren von sich. Unentschlossen stieg er von einem Fuß auf den anderen und blieb im Tor stehen.
    »Na«, murmelte Baltibb, stellte die Laterne ab und nahm das Junge behutsam auf den Schoß. Kurz zappelte es auf, ergab sich aber dann mutlos seinem Schicksal. Auf den Knien rutschte Baltibb zur Mutter und legte das Junge neben sie. Nur mäßig interessiert beobachtete die Hündin das kleine Lebewesen, dann rutschte sie dichter an ihre anderen Jungen und schob die Pfoten unter das Fell.
    Als der Welpe wieder zu winseln begann und die Hündin den Kopf zum Schlafen sinken ließ, seufzte Baltibb. »Manchmal kommt es vor, dass Tiere eins ihrer Kinder nicht annehmen.«
    »Wieso?« Er begriff nicht, warum die Hündin das Kleine nicht haben wollte. Es unterschied sich doch gar nicht von den anderen.
    »Wer weiß. Sie wird ihre Gründe haben.«
    »Ihre Gründe ?«
    »Ihr Instinkt sagt es ihr«, erklärte Baltibb geduldig und hob die Laterne hoch.
    Lyrian schüttelte unwillkürlich den Kopf, während sie den Welpen an sich nahm und aus dem Gehege trat. Wie grausam Tiere waren, dachte er, und dabei konnten sie nicht einmal etwas dafür. Die Hündin war ebenso unschuldig wie das Junge, das sie verstoßen hatte, denn sie wusste ja nicht, was sie tat. Sie folgte ihren plötzlichen, unsinnigen Gefühlen …
    Baltibb übergab Lyrian die Laterne und schloss ab.
    »Was machen wir jetzt mit ihm?«, fragte er unsicher und beleuchtete das schwarze Etwas in ihrem Arm.
    »Ich nehme ihn mit nach Hause und zieh ihn auf. Das habe ich schon ein paarmal gemacht. So schlimm ist das nicht für den Kleinen. In einem Jahr ist er so groß wie seine Geschwister und kann am Ritual der Wintersonnenwende teilnehmen.«
    Lyrian ließ die Laterne fallen, fing

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