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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Kaiserin dafür sorgen, dass sie sich öfter sahen, so viel stand fest.
    »Ihr habt einen Fuchs schon verloren?«, flüsterte sie ehrfürchtig. »Wie ist das geschehen?«
    Lyrian drehte seinen silbernen Kelch. Das Gesicht des Menschenmädchens durchzuckte ihn, hell erleuchtet und schon fast verblasst... Scarabah musste bewusst sein, wie unerhört es war, ihm eine so offene Frage zu stellen. Aber ihre Neugier war stärker als ihr Anstand.
    Er lächelte unbestimmt, ohne Antwort zu geben. Bald nahm die Tänzerin auf der Bühne seine Aufmerksamkeit wieder gefangen. Über der hellen Melodie schwebten das Rauschen Hunderter leiser Stimmen und das hauchfeine Klirren von Silberbesteck. »Wisst Ihr, welches Instrument das ist?« Lyrian wies auf die Flöte der Tänzerin. Etwas irritiert folgte Scarabah seinem Blick.
    »... Nein, Euer Majestät?«
    »Die Flöte nennt man Tandare. Sie wird nur aus einem bestimmten Holz hergestellt und ist ausschließlich für unser Gehör bestimmt. Andere Instrumente, wie die Trommeln und Zupfinstrumente der Musiker dort im Hintergrund, werden auch von den Menschen im Land draußen gehört.«
    Scarabah nickte höflich. Dann entfuhr ihr ein Auflachen. »Ich habe noch nie über diese Dinge nachgedacht! Eine - wie? - eine Flöte?«
    »Ja, eine Flöte. Man spielt sie, indem man in das Mundstück bläst und mit den Fingern verschiedene Löcher verschließt.«
    »Woher wisst Ihr das, Euer Majestät?«, fragte Scarabah, und nun lag nicht nur Neugier in ihrer Stimme, sondern auch Misstrauen. Lyrian konnte sich schon vorstellen, wie sie den anderen Drachen von ihm erzählte: Sie würde ihnen verraten, dass alles stimmte, was man über den wunderlichen Prinzen sagte, dass er jetzt schon einen Korpus verloren hatte, tatsächlich getötet worden war, und sich dafür nicht halb so sehr interessierte wie für die primitiven Apparaturen der Menschen. Lyrian spürte, wie er innerlich versteifte. Sein Lehrer Accalaion hatte ihn gewarnt, vor anderen Drachen nie zu offen zu sein. Er war der Prinz, Sohn und Erbe des Herrschers. Wer konnte in ihm schon den künftigen Kaiser sehen, der den verträumten, unentschlossenen Jungen kennenlernte?
    »Ich als künftiger Kaiser muss für all meine Untertanen Verständnis aufbringen - für Drachen und für Menschen. Auch über die Zunft der Gilden, die uns schließlich dienen, will ich genau unterrichtet sein.«
    Scarabah deutete eine Verneigung an. »Ihr seid sehr weise, Euer Majestät.«
    Lyrian wich ihrem Blick aus.
    Diener kamen, räumten die Speiseplatten ab und brachten kunstvolle Gebilde aus süßem Gebäck und glasierten Früchten. Alles sah so wundervoll aus, dass es fast zu schade war, gegessen zu werden. Es waren kleine Kunstwerke, dachte Lyrian nachdenklich, hübsch und sinnlos …
    Bevor die Drachen sich in ihrer wahren Gestalt in der Halle eingefunden hatten, waren bereits Stärkungen für ihre Korpusse aufgetragen worden: Mächtige Fleischkeulen waren von Raubkatzen und Bären, Wölfen und Aasfressern zerrissen worden, ehe die eleganten Damen und Herren an den mit Silber gedeckten Tischen Platz genommen hatten. Auch der Fuchs hatte sich an rohem Fleisch gestärkt, hatte ein paar gierige, hastige Happen geschluckt... und Lyrian hatte sich geschämt, ob er wollte oder nicht. Und er empfand stechende Verachtung für die Drachen unter ihm, die ihr Besteck vornehm mit zwei Fingern hielten. Ihren Korpussen war eben noch das Blut von den Mäulern getropft, und hier saßen sie mit Handschuhen und Servietten, um sich an winzigen, sinnlosen Schönheiten zu erfreuen. Falls sie sich überhaupt an etwas erfreuen konnten.
    Er schüttelte diese Gedanken ab. Immer wieder kam Bitterkeit in ihm hoch. Verstohlen schielte er zu Scarabah hinüber, die an ihrem Honigwein nippte und die Drachen an den unteren Tischen beobachtete. Auch sie hatte das Ritual der Wintersonnenwende dieses Jahr zum ersten Mal mitgemacht. Ob sie genauso schockiert gewesen war? Wenn sie Abscheu empfand, konnte sie sie viel besser verbergen.
    Lyrian erhob sich und bemerkte erst, wie unüberlegt diese Entscheidung gewesen war, als sich sämtliche Augenpaare auf ihn richteten. Steif verneigte er sich vor seinem Vater und seiner Mutter. »Wenn Ihre Majestäten erlauben.« Er neigte auch vor den Beratern und Generälen und zuletzt Scarabah den Kopf. »Entschuldigt mich.«
    Der Kaiser starrte ihn an, doch jegliche Empörung oder gar Zorn war zu tief in den kleinen, luchsartigen Augen versunken, um wahrnehmbar zu

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