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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Ich war eine Ausnahme, in jeder Hinsicht. Nun, Jagu aufzunehmen war natürlich ein geschickter Schachzug von mir.«
    »Ach ja?«
    »Natürlich, Mädchen! Arahil, dieser Hund, war doch Jagus Vater. Weißt du überhaupt, wer Arahil war? Nein, hab ich mir doch gedacht. Ungebildet, völlig ungebildet... ein Lehrling, pah, und von Kunst keinen Schimmer! Nun, dann werde ich dir mal sagen, was für ein elender Hund Arahil der Fünfzehnte war.« Osiril richtete sich ein wenig im Bett auf und glättete die Decke - ein Zeichen, dass sie vorhatte, länger zu sprechen. »Arahil war der Meister der Malergilde, jedenfalls für sieben Jahre, bevor er alles verlor - zu Recht übrigens, zu Recht. Die Künstler in seiner Familie gehörten seit Generationen zu den besten von Wynter. Du weißt, dass es Gildenmitgliedern gestattet ist, Stammbäume zu führen und über ihre Ahnen Bescheid zu wissen?«, fragte Osiril scharf, als Mion sie überrascht ansah. In den Ruinen war die Vergangenheit ein Tabu. Über Tote sprach man nicht, schon gar nicht über jene, die man nicht einmal kennengelernt hatte.
    »Jedenfalls«, fuhr Osiril ein wenig gereizt fort, »war Arahil ein angesehener Künstler, und schlecht war er auch nicht, das muss man sagen. Hat große Drachen porträtiert, Mitglieder der Kaiserfamilie. Nur sind leider allzu oft begnadete Künstler wahre Ekelpakete.« Mion sah die Alte schief an. Das glaubte sie ihr sofort. »Großes Talent kann einen großen Schatten werfen. Was Arahil betraf, so fiel sein Schatten auf die, die ihm am nächsten standen: seine Frau und seinen Sohn. Seine Frau, wie hieß sie noch, wie hieß sie... Lidea, Lidaia... ach, einerlei. Sie war irgendein ungebildetes Mädchen, die Tochter eines Handwerkers, halb so alt wie er und doppelt so hübsch. Das ist der Fehler, den alle talentierten Männer begehen«, fuhr sie in belehrendem Ton fort. »Sie suchen die Nähe von weiblichen Dummköpfen, damit sie selbst umso heller strahlen. Wenn sie erkennen, dass sie einen Besenstiel geheiratet haben, ist es für alle Beteiligten zu spät. Arahils Frau war nicht die Hellste und Arahil war leicht in Rage zu bringen. Er hat sie wohl ein paarmal schlimm zugerichtet, sodass sie ihm eines Tages weglief. Was aus ihr geworden ist, weiß ich nicht, und ich bezweifle auch, dass Jagu es weiß. Wahrscheinlich hat er seine Mutter nie wiedergesehen. Er war damals so in deinem Alter, ich glaube, vierzehn. Sobald Arahil die Frau verloren hatte, behauptete er, Jagu sei nicht sein leiblicher Sohn. Er warf ihn aus dem Haus, und der Junge war mit einem Schlag nicht nur elternlos, sondern auch ohne Obdach. Da kam er zu mir.«
    Osiril lachte leise in sich hinein. Es war ein beunruhigendes Lachen voller Tücke, und Mion fühlte sich unwohl dabei, so als hätte sie einen Blick in Osirils Inneres erhascht, den sie gar nicht haben wollte.
    »Ich war damals die beste und erfolgreichste Malerin von Wynter! Und natürlich war ich auch die größte Konkurrentin von Arahil, der überhaupt nicht damit umgehen konnte, dass es eine Frau gab, die ihn übertraf. Wir mochten uns nicht, das war allgemein bekannt. Umso erstaunter war ich also, als eines Tages Arahils Sohn vor meiner Tür stand und mich fragte, ob ich einen Lehrling bräuchte. Ich habe ihn vorzeichnen lassen und er kam ganz nach dem Vater. Er malte einen Jaguar... irgendwo muss ich das Bild noch haben. Das Tier sah so echt aus, dass man sich davor fürchten konnte. Jeder Drache hätte sich ein solches Porträt nur wünschen können. Nach dem Bild habe ich ihn schließlich Jaguar benannt, woraus Jagu wurde.«
    Mion machte große Augen. »Er heißt eigentlich anders?«
    »Ja, natürlich heißt er Arahil wie sein Vater! Scheußlicher Name. Es ist wohl verständlich, dass ich den Namen meines Erzfeindes nicht zehnmal am Tag durchs Haus rufen wollte. Jagu hatte auch nichts dagegen, umbenannt zu werden, im Gegenteil. Anfangs habe ich gezögert, einen jungen Arahil aufzunehmen, ich meine, wer hätte schon wissen können, wie viel vom Alten in dem Jungen steckte? Aber schließlich hat man ja auch Mitgefühl, der Junge brauchte ein Zuhause...« Sie merkte wohl selbst, wie wenig überzeugend sie klang, und räusperte sich laut. »Interessanterweise nahm Arahil alle Anschuldigungen zurück, als er erfuhr, dass ich Jagus Meisterin geworden war, und er bat seinen Sohn, wieder nach Hause zu kommen. Aber Jagu lehnte ab. Jetzt war er es, der behauptete, Arahil sei nicht sein Vater. Da wusste ich, dass ich den

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