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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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das Kinn vor. War sie denn nicht eine Frau? Nach all den Plänen, die er für sie geschmiedet hatte, sollte ihm das ja wohl aufgefallen sein.
    »Also... ich bin hundemüde. Ich geh jetzt schlafen.« Sie stand auf und hielt noch einmal inne. »Morgen können wir weiterreden.«
    Jagu sagte nichts. Nickte nur stumm. Sie nickte ebenfalls, murmelte Gute Nacht und stieg die Treppe hinauf. Er ließ sich tiefer in den Sessel sinken. Im Schein des sterbenden Feuers mochte sie sich irren, aber für einen Moment glaubte sie, er lächele.
     
    Sie konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Stunde um Stunde lag sie mit offenen Augen in der Dunkelheit, dachte an Jagu und das, was er gesagt hatte... Als sie endlich zu dösen begann, sah sie Faunia als Vierzehnjährige durch Wynter laufen, ärmlich und allein wie ein Straßenkind der Ruinen. Die Vorstellung verwischte mit ihren eigenen Erlebnissen des Tages und ihrer Vergangenheit, bis sie und Faunia zu einer Person verschmolzen. Schweißgebadet schrak sie auf und glaubte einen Herzschlag lang, sie hätte Jagu heute im Atelier ihre Liebe gestanden. Wie absurd! Mit dem Geschmack dieses bizarren Traums konnte sie unmöglich liegen bleiben, also stand sie auf, ging im Zimmer auf und ab und lehnte sich ans Fenster.
    Überraschte es sie, dass auf der anderen Seite des Hauses Licht brannte? Nein... sie hatte gewusst, dass er wach sein würde. Welche Gedanken ihn auch immer beschäftigen mochten, es waren Gedanken der Nacht.
    Die Stunde vor Morgengrauen kam ihr am längsten vor. Ihr Bauch grummelte vor Hunger - sie hatte gestern gar nichts gegessen. Angezogen saß sie auf ihrem Bett und zählte die Minuten. Die Verwirrung vom Abend war verflogen, nun war sie ruhig. Sie hatte genug Zeit gehabt, um alles genau zu bedenken und einen Beschluss zu fassen. Nie war ihre Zukunft so klar und gleichzeitig so ungewiss gewesen. Aber zumindest war es ganz und gar ihre Entscheidung.
    Sobald es hell wurde, ging sie hinunter ins Esszimmer. Zu ihrer Freude war Jagu schon da - und zwar alleine -, mit einem herrlichen Frühstück. Sie lief zu ihm und nahm am anderen Tischende Platz. Unbefangen belud sie ihren Teller. Nach zwei Fladenbroten und drei Bechern Milch ließ sie sich zurücksinken und fühlte sich bereit zu sprechen.
    Jagu aß still für sich, ohne sie zu beachten.
    »Ich werde es tun.« Sie stützte die Arme auf den Tisch und sah ihm in die Augen. Die Stille des Hauses wurde geradezu körperlich spürbar; alles schien auf Mion zu horchen. »Ich habe nie einen Drachen kennengelernt, aber ich kenne Jungen. Eigentlich ist es nicht so schwer, sich mit ihnen anzufreunden.«
    Jagu runzelte fragend die Stirn. Mion zögerte. Sie hatte noch nie über diese Dinge gesprochen, schon gar nicht in einem so ernsten Ton. Schon gar nicht mit einem Mann .
    »Na ja... ich weiß schon, wie man sie dazu bringt, einen zu mögen. Wenn sie fies sind, dann umarmt man sie und ist nett. Wenn sie nett sind, dann schubst man sie herum und ist ein bisschen unverschämt... ich glaube, das mögen sie. Jedenfalls mögen sie dich, wenn du sie so behandelst.«
    Jetzt grinste er. »In deinem Alter verstehst du schon sehr viel von diesen Dingen.«
    Sie lehnte sich zurück und erwiderte seinen Blick; in ihrer Stille lag vollkommene Einigkeit.
    »Ich habe keine Angst. Aber wenn du mich belügst...« Sie ballte die Faust. »Wenn du mich hintergehst, Jagu, dann werde ich mich rächen. Vergiss das nie.«
    Lange blickte er in ihre Augen.

Die Grenze von Kossum
    A ls der Morgen endlich kam, schienen Jahre vergangen zu sein. Wieso kroch die Zeit so, wenn er litt?
    Der Gedanke trieb ihm ein bitteres Lächeln ins Gesicht. Er hatte nicht gelitten, nein. Er hatte andere leiden lassen. Auch wenn das eine Mal die Tradition, das andere Mal die Angst um Baltibbs Leben ihn dazu getrieben hatte, kam es ihm falsch vor. Er hatte die einfachste Lösung seiner Probleme gewählt und dafür waren andere zu Tode gekommen … Diese Schuld würde ihn für den Rest seines Lebens verfolgen, ein Gewicht, das erst wog, wenn es einem bewusst wurde.
    Sie hatten sich unter einem alten Steinbogen zur Rast gelegt, über dem Ranken und Schnee einen dicht gewebten Vorhang bildeten. Der Boden war darunter trocken geblieben und Baltibb hatte für ihr Lager ein paar Tannenzweige mit dem Säbel abgeschnitten. Jetzt noch, wo sie schlief, umschloss sie den Griff der Waffe.
    Lyrian beobachtete sie im Schlaf. Still kehrten die Bilder zurück, wie sie die Räuberin erschlug. Der

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