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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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sich ins warme Fell. Nur Mond wollte sich dem Fuchs nicht nähern; er winselte dumpf nach Baltibb, traute sich aber nicht heran. In der Ferne jaulten Wölfe.
    »Wenn wir weiter nach Südwesten wandern, wird es bald wärmer, nicht?«, murmelte Baltibb.
     
    Die Tage verstrichen träge. Sonnenauf- und -untergang bestimmten ihre Reise. Als der Proviant zur Neige ging, mussten Baltibb und Lyrian sich zwei Tage mit gefrorenen Kräutern und Schnee zufriedengeben, bis sie eine kleine Siedlung fanden. Ruinen mit provisorischen Anbauten aus Zweigen und Baumstämmen dienten den Menschen als Heimat. Eine Weile beobachteten Lyrian und Baltibb die Siedlung aus einem Versteck im Dickicht. Wahrscheinlich waren die Leute Ruinenräuber, die hier einen großen Fund gemacht und beschlossen hatten, das Karawanenleben aufzugeben. Lyrian überzeugte Baltibb, dass er alleine eindringen wollte. Als Otter schlich er in die Behausungen und stahl zwei Laib Brot, einen Sack Körner, Schinken und getrockneten Fisch. Eilig machten sie sich mit der Beute davon.
    Ein anderes Mal konnten sie sich gerade rechtzeitig vor einer Räuberbande verbergen, die durch die Wälder zog. Sie hatten schwer beladene, von Schneebüffeln gezogene Karren dabei. Manche der Räuber ritten auch auf den mächtigen weißen Tieren und jeder war bis an die Zähne bewaffnet. Baltibb umschloss den Griff ihres Krummsäbels fester, doch die Räuber entdeckten sie nicht. Bald hatte der Wald sie verschluckt und Baltibb und Lyrian waren wieder alleine in der Weite der Natur.
    Nach einer Woche stießen sie auf einen großen Fluss. Anders als die Bäche, die wie bleiche dünne Adern durch die Wälder zogen, war die Strömung nicht zugefroren. Lyrian und Baltibb folgten dem Wasser, das wie sie auf dem Weg nach Süden war. Uralte Brücken aus Stein verbanden hier und da die entfernten Ufer; manche waren eingestürzt und bildeten schnee- und moosbedeckte Inseln. Sie gewöhnten sich daran, mit dem leisen Flüstern der Wellen einzuschlafen und vom Rauschen der Strömung zu erwachen.
    Abends versuchte Lyrian, die Flöte zu spielen. Als er sich mit den verschiedenen Tönen vertraut gemacht hatte, erfand er kleine Melodien. Sie waren nichts Besonderes, aber er hatte Freude am Spielen, und Baltibb versicherte ihm, dass es hübsch klänge.
    Der Wald veränderte sich. Die gigantischen Bäume wichen dünnen Birken. Der Himmel erschien grau und nackt zwischen den kahlen Zweigen. Lautlos tauchten die Schneeflocken ins Wasser. Lyrian nahm öfter die Gestalt seines Fuchses an oder begleitete Baltibb als Otter, damit sie währenddessen seinen Umhang nehmen konnte.
    Als der Wald verschneiten Hügeln wich, legten sie weite Strecken im Flug zurück, und er gewöhnte sich an das Gewicht von Baltibb und Mond auf seinem Rücken. Mond sträubte sich noch immer dagegen, den Korpussen nahe zu kommen, sodass Lyrian sich zu einer Erklärung genötigt fühlte. Doch sie ließ sich keine Verwunderung über Monds Verhalten anmerken und er war unendlich dankbar dafür. Nur nachts, wenn er wach in der Finsternis lag, wünschte er sich, sie würde ihn zur Rede stellen, ja ihn zwingen, die Dinge auszusprechen, zu denen ihm der Mut fehlte.
     
    Hatten sie Wynter schon verlassen? Immer wieder erinnerte er sich an die großen Landkarten, die er mit Accalaion studiert hatte und auf denen sich die Provinzen des Reiches bis zum Meer erstreckten. Er wusste, dass die Grenzen in Wirklichkeit ganz anders verliefen. Alles zwischen Wynter und den Geschwisterstaaten Modos und Ghoroma war Niemandsland, von beiden Seiten für sich beansprucht und doch zu keinem gehörend. Er fragte sich, wie man um die kargen Hügel kämpfen konnte. Was bedeuteten sie den Drachen? Was wollten die Menschen von diesem Land, in dem doch niemand lebte? Wer hier gewesen war, wusste, dass es nichts gab, wofür ein Krieg sich lohnte.
    Nach vielen Tagen sahen sie die ersten Dörfer. Felder und Hütten lagen zwischen den Hügeln verstreut, so wahllos wie Kieselsteine. Eine alte Frau, die am Flussufer Zweige sammelte, fragten sie, wo sie waren.
    »In Jegäa«, erwiderte sie. »Alles hier ist Jegäa.« Und sie wies vage mit der Hand zum Horizont.
    »Jegäa steht unter der Herrschaft der Drachen«, erklärte Lyrian Baltibb. Die Alte sah ihn zweifelnd an und kehrte ihnen ohne ein weiteres Wort den Rücken.
    Später rollte Lyrian seine Landkarte auf, um sicherzugehen, dass er sich nicht geirrt hatte. Aber es stimmte, Jegäa war deutlich als Provinz von Wynter

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