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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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hatte man ihr beigebracht, Drachen würden viele Jahrhunderte alt und dann irgendwie so etwas wie Eier legen. Sie traute sich aber nicht, es Jagu zu sagen, aus Angst, er würde sie auslachen. Dabei war ja er derjenige mit den irrsinnigen Behauptungen. Er beobachtete, wie sie die Stirn kraus zog, und wippte unruhig mit dem Fuß. »Ich hätte es dir nicht sagen sollen, du bist noch nicht so weit.«
    »Ich bin noch nicht so weit?«
    »Du bist noch geblendet! Kein Wunder, die Drachen halten die ärmsten Leute so ungebildet, dass sie gar nicht darauf kommen, irgendetwas anzuzweifeln. Oder vielmehr, sie halten sie so arm wie möglich, denn wer arm ist, denkt ans Essen und nicht an Freiheit. Sicherheitshalber gibt es aber trotzdem das Leseverbot für die Ruinen, nicht wahr?« Er lachte bitter. »Ganz zu schweigen von der großartigen Arbeit, die die Drachen leisten, wenn es darum geht, die Vergangenheit unbeleuchtet zu lassen. Die Menschen dürfen auf keinen Fall ihrer eigenen Identität auf die Spur kommen, sonst fangen sie noch an, sich etwas zuzutrauen. Mit den Bürgern haben die Drachen es schwieriger als mit den Ruinenleuten, aber auch da sind sie einfallsreich. Wen sie nicht treten können, müssen sie sanft erziehen. Die Bürger von Wynter sind so stolz auf ihre besonderen Privilegien, auf das, was sie haben und die Ruinenleute nicht. Sie erkennen gar nicht, dass ebendiese Privilegien nichts als Verstümmelungen der Rechte sind, die sie eigentlich beanspruchen könnten. Ihnen wird so viel Angst gemacht - dass nur die Drachen sie schützen können vor all den bösen Menschen außerhalb der Stadtmauern. Und dann gibt es ja noch die Gilden, die gefährlichsten Gegner der Drachen! Am liebsten würden sie uns alle zerreißen, aber das geht nicht, denn sie brauchen uns. Wir kümmern uns um den Handelsfluss, schmeicheln ihnen mit Gemälden und Kleidern, Schmuck und Prunk und, am wichtigsten, wir unterhalten sie. Nicht weil sie uns wohlgesinnt sind, gewähren sie uns unseren Reichtum und unsere Sonderrechte. Sie wissen, dass sie uns genau dieses Maß an Luxus gestatten müssen, damit auch wir ausreichend geblendet sind, um nicht das Offensichtliche zu sehen: dass wir Diener sind, ja Sklaven, und zwar nicht von Natur aus, sondern weil die Drachen uns dazu gemacht haben!«
    Mion beobachtete schweigend das Funkeln in seinem Blick. Das waren also die Gedanken, die Schuld an seinen umwölkten Augen, der besinnlichen Traurigkeit in seinem Gesicht trugen.
    »Und dann willst du einer von ihnen werden?«, fragte sie leise.
    »Ich will mein Recht. Ich will das Recht, werden zu können, wer auch immer ich werden will. Ich will über mein Leben selbst bestimmen. Ich verabscheue die Verlogenheit der Drachen, aber sie sind nur Menschen, so wie wir. An den menschlichen Schattenseiten lässt sich nichts ändern. Und doch will ich, dass die Gerechtigkeit siegt. Weißt du, wie ich mir Gerechtigkeit vorstelle?« Er lächelte, die Lippen formten ein Dreieck, dazwischen schimmerten die Zähne wölfischer denn je. »Dass ein Ruinenmädchen vor den Augen der Drachen eine von ihnen wird, das ist die himmlischste Gerechtigkeit, die ich mir vorstellen kann. Der Triumph der Wahrheit, an dem sie nicht vorbeisehen können.«
    Blinzelnd löste sie sich von seinem Blick und merkte, dass ihr der Atem stockte. Die Vorstellung, sie könne eine Künstlerin werden, war schon wahnwitzig gewesen. Aber ein Drache - das war - nein, das war nicht vorstellbar. Darüber konnte sie nicht einmal lachen.
    Sie räusperte sich und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Natürlich beobachtete Jagu sie gerade jetzt wie ein Falke.
    »Und, ähm... Faunia weiß darüber auch Bescheid.« Mion nickte bekräftigend, ohne die leiseste Ahnung zu haben, warum. »Also, Faunia sollte dieses Mädchen sein?«
    »Ja, das dachte ich. Aber Faunia ist unberechenbar. Und vielleicht zu alt.« Er zupfte sich Tabak aus dem Mundwinkel und schenkte ihr wieder dieses Lächeln mit den hochgezogenen Augenbrauen, das er gerne als Entschuldigung vorausschickte, wenn er etwas Unverschämtes sagen wollte. »Du hast sie ja heute erlebt. Und ich möchte noch einmal betonen, dass ich ihr nie Anlass für diese kindische Schwärmerei gegeben habe. Wie gesagt, sie ist zu... leidenschaftlich. Sie kann niemals eine von ihnen werden, unmöglich.« Er zögerte einen Moment. »Du bist schön, Mion, das ist dein Trumpf. Siehst du, es gibt in unserer Welt drei Wege, um aufzusteigen und sich zu befreien. Der

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