Rabenmond - Der magische Bund
nahm er die Kratzspuren an ihrem Hals in Augenschein. »Herone soll das mit Wasser waschen. Geh in die Küche mit ihr.«
Gehorsam ging Faunia zwei Schritte, doch dann blieb sie stehen. »Wartest du auf mich? Damit wir gleich gehen?«
Jagu sah sie lange an. Dann schüttelte er den Kopf.
»Wieso?« Ihre Stimme zitterte.
»Du solltest dich ausruhen.«
Ihr Blick glitt zu Mion, so verschwommen und glühend, als hinge ein Hitzeflimmern über ihren Pupillen. »Sie... Du nimmst sie mit.«
Mion wandte sich an Jagu. Schluckend richtete sie sich auf und hoffte, einen nicht allzu furchtbaren Eindruck zu machen. Gleichzeitig schämte sie sich, überhaupt noch daran zu denken. Eigentlich hatte sie jetzt nicht übel Lust, auch ihm einen Kinnhaken zu verpassen, wo er doch an allem schuld war.
»Mion kommt mit«, sagte er ruhig.
Faunia wankte. Dann fing sie wieder an zu lachen, es war ein stotterndes, halb schluchzendes Lachen. Sie fiel aus einem ihrer Schuhe und machte einen ungeschickten Schritt auf Jagu zu. Die Köchin schnappte nach Luft, als Faunia barfuß in die Scherben stieg. Ihr Gesicht zuckte; sonst schien sie den Schmerz gar nicht wahrzunehmen.
»Du hast mich gerettet...« Ihre Stimme war die eines Kindes. Eine ferne, leichte Fröhlichkeit schwang darin, die weder zum Augenblick noch zu Faunia passen wollte. »Weißt du noch, Jagu? Ich hab nur dich. Du hast mich gerettet. Also rette mich.« Sie schluchzte. »Lass mich nicht allein... ich hab nichts, gar nichts, ich bin nichts...«
Die Köchin und Jagu fingen sie gleichzeitig auf. Sie war nicht ohnmächtig, denn sie wimmerte noch.
»Wir bringen sie in ihr Zimmer«, murmelte Jagu, nahm sie in die Arme und trug sie den Gang hinunter. Die Köchin folgte ihm.
»Versuch, dich herzurichten, wenn du kannst«, sagte er zu Mion zurück.
Herrichten. Das war leicht gesagt.
Eine Weile stand Mion in der Halle, die plötzlich ganz still war, und versuchte, sich zu sammeln. Herone kam und wischte ihr die Blutspuren von Hals und Wangen. Schließlich gingen sie in einen nahen Raum, wo ein Spiegel an der Wand hing, um zu retten, was zu retten war.
Die restliche Spitze an Oberteil, Ausschnitt und Ärmeln musste entfernt werden. Das Geräusch des reißenden Stoffes brach Mion das Herz. Dann musterte sie sich selbst. Ohne die Spitze war das Kleid viel zu freizügig. Mit den zerrupften Haaren sah sie aus, als wäre sie einer Bande Ruinenräubern in die Hände gefallen. Oder als wäre sie selbst einer. Herone half ihr, einen Kranz zu flechten.
Als dann alles in ihrer Macht Stehende getan war und Mion sich das Kleid so weit nach oben gezogen hatte wie möglich, fragte sie sich, ob sie überhaupt noch gehen wollte.
Ihre linke Wange pochte ganz schön von einem Schlag, aber es würde noch bis morgen dauern, bis der Bluterguss sichtbar wurde. Die Kratzer an ihrem Hals konnte sie unter dem Samtband verstecken. Dann holte Herone eine goldene Puderdose von Faunia, die sie offenbar neben der Badewanne gelassen hatte. Damit ließen sich die roten Abdrücke an Armen, Gesicht und Schultern kaschieren.
Mion dankte dem Dienstmädchen und kehrte in die Eingangshalle zurück. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie sich richtig mit Faunia geprügelt hatte. In Gewändern für viertausend Gulden.
Ein dummes Grinsen stieg in ihr auf; sie fuhr sich über das Gesicht, wie um es zu vertreiben. Gerade da kam Jagu zurück. Am Rand der Halle blieb er stehen und stützte die Arme in die Seite.
Sein graues Wams war mit Silberfäden durchwirkt, der Umhang außen schwarz und innen rot wie dunkler Wein. Ausnahmsweise sah er sogar gekämmt aus.
»Sie ist wirklich verrückt, oder?«, sagte Mion.
Jagu antwortete nicht.
Sie seufzte. »Es ist deine Schuld.«
»Schlimmer, als du sie zugerichtet hast, kann es dir kaum gehen.«
»Ich rede nicht von mir, ich rede von Faunia! Wenn sie wirklich verrückt ist, dann ist das deine Schuld. Du spielst dich auf wie ihr großer Retter und dann fällst du ihr in den Rücken.«
»Du weißt nichts von Faunia und mir.«
Schweigend berührte Mion ihre Unterlippe. Sie hatte vorhin Blut geschmeckt, aber sie sah nichts.
Jagu räusperte sich. »Also, kannst du noch gehen?«
»Wieso musstest du diesen blöden Wettbewerb veranstalten? Du wusstest doch, dass du sie nur verletzen würdest.«
Er sah ihr in die Augen. »Sie wollte eine Chance. Die hat sie bekommen.«
»Du bist ein Feigling. Weißt du das?«
»Und du bist übermütig... ich bin immer noch dein
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