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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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Katastrophe entronnen war. Die Welt war klein. Es gab nur diese eine. Sie durfte nicht undankbar sein.
    „ Elsa!“, rief Gunther-Sven. „Wo bist du? Elsa!“
    Seine Stimme war nur eine von vielen. Sie hatten ihr Fehlen bemerkt und suchten sie. Nichts war es mit der warmen Hütte.
    „ Hier bin ich!“, rief sie zurück. „Macht euch keine Sorgen!“
    In den Augen der anderen hatte sie ein großes Abenteuer bestanden. Kaum auszudenken, wenn sie Elsa nicht gefunden hätten! Sie hätte erfrieren können in dieser Nacht! Gunther-Sven legte Elsa eine zweite Decke um die Schultern, Marie-Rosa streichelte ihr mit eiskalten Händen die Wangen.
    „ Ich wäre an deiner Stelle gestorben vor Angst!“, sagte sie „Wie konnte das nur passieren?“
    „ Es tut mir leid, ich bin nur langsamer gegangen als ihr.“
    „ Du warst weg!“, erklärte Gunther Sven. „Ich bin ja zurückgegangen und habe dich gesucht!“
    Er legte ihr die Hand auf die Schulter und sie ließ es geschehen, auch wenn sie heimlich dachte, dass Gunther-Sven sie niemals finden könnte in ihren dunkelsten Träumen. Das war nicht gerecht, denn er hatte die besten Absichten. Aber ihr Herz war weggeschlossen, irgendwo verschollen an einem Ort, an den niemand gelangen konnte, nicht mal sie selbst.
    Um Mitternacht lagen sie bei Feuerschein in der Hütte, zu müde, um den Abend so lebhaft zu verbringen, wie sie es vorgehabt hatten. Elsa tat so, als ob sie schliefe. Marie-Rosa sprach mit Gunther-Sven. Sie sagte ihm, sie habe noch nie ein so männliches Kinn gesehen wie das seine. Gunther-Sven bot ihr an, die Plätze zu tauschen, da sie zitterte und er näher am Feuer saß als sie. Marie-Rosa fragte ihn, ob er manchmal das Gefühl habe, alleine zu sein, obwohl er in einem Raum voller Menschen sei. Er erklärte, gerade fühle er sich nicht alleine. Sie auch nicht, erwiderte sie. Bald schlief Elsa tatsächlich ein. Im Traum versteckte sie sich hinter großen Fässern und wusste, sie durfte auf keinen Fall entdeckt werden. Jemand war neben ihr und sie fragte ihn: ‚Geht es dir auch manchmal so, dass du in einem Raum voller Menschen bist und dir wünschst, du wärst alleine?’ Sie erhielt aber keine Antwort.
    Elsa wachte auf, als der Himmel rosagrau geworden war. Sie wickelte sich warm ein und ging vor die Hütte, wo die Vögel sangen und Gunther-Sven auf einer klammen Bank lag. Er hatte einen kleinen Ast zwischen den Zähnen, auf dem er herumkaute.
    „ Ist dir nicht kalt?“, fragte sie.
    „ Doch.“
    „ Warum holst du dir keine Decke?“
    „ Ich muss nachdenken“, sagte er.
    „ Worüber denn?“, fragte sie und blieb in einigem Abstand von ihm stehen.
    Es war ein schöner Morgen, ein erhabener Morgen. Gunther Sven warf den Ast weg und schwieg.
    „ Es scheint nichts Erfreuliches zu sein“, sagte Elsa.
    „ Warst du schon mal verliebt?“, fragte er.
    „ Ich? Nein. Ich glaube nicht.“
    „ Du lügst“, sagte er. „Mädchen verlieben sich andauernd.“
    „ Vielleicht. Aber das zählt nicht. Ich dachte, du meinst richtig verliebt.“
    „ Ich frage mich gerade“, sagte Gunther-Sven, „wie das ist. Kann die Liebe jemals aufhören, wenn man richtig verliebt ist?“
    „ Ich weiß nicht. Ich hoffe schon.“
    „ Warum hoffst du das?“
    „ Es wäre doch schlimm, oder? Wenn man unglücklich verliebt ist und es nie aufhört.“
    Gunther-Sven nickte.
    „ Wozu Liebeskummer?“, fragte er den Himmel. „Alles ist endlich!“
    Im Inneren der Hütte wurde es laut. Marie-Rosa rief, dass sie Platz brauche, um Pfannkuchen zu backen. Jemand brach in Gelächter aus und gestand, dass das Kaffeepulver nass geworden war. Eine andere Stimme beschwerte sich, weil jemand im Klo war und nicht mehr herauskam. Marie-Rosa schaute aus dem Fenster und bat Gunther-Sven, Wasser zu holen. Als er unterwegs war, kletterte Elsa auf den nahen Felsen, von dem aus man bis ins Tal sehen konnte. Es überkam sie der starke Wunsch, die Flügel auszubreiten und zu fliegen. Wie schön das wäre! Sie konnte es. In diesem Moment war sie ganz sicher, dass sie es konnte.
    „ Elsa!“, rief Marie-Rosa. „Kommst du?“
    Elsa warf einen letzten Blick auf das Tal und die Eisenbahnlinie, die sich da unten nach Kristjanstadt schlängelte. In der Hütte führte Dietgar vor, wie man Pfannkuchen in der Luft wendet oder warum man es besser bleiben lässt. Marie-Rosa fütterte Gunther-Sven mit einzelnen Stücken ihrer Zimt-Pfannkuchenrolle. Sermine aß nichts, sondern starrte in ihren Taschenspiegel,

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