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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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könnte wie dieser seltsame Zwilling, der hier vor ihr stand. Doch sie zweifelte daran, denn das Mädchen besaß eine Selbstsicherheit, die Elsa für immer fehlen würde. Es war Ulissa, daran bestand kein Zweifel, und sie sah nicht sonderlich eingesperrt aus.
    „ Hallo, Kleine, von dir habe ich schon gehört!“, rief Ulissa und streckte ihre weiße, zierliche Hand aus, damit Elsa sie schütteln konnte. „Hast du dir in die Hosen gemacht, als sie dich geschnappt haben?“
    „ Ja“, sagte Elsa und ergriff die Hand, die warm und weich war – nicht kalt wie Elsas.
    Ulissa lachte begeistert.
    „ Trink Wein“, schlug sie vor, „dann fühlst du dich gleich besser. Siehst du, das geht so!“
    Ulissa trank ihren Wein im Stehen aus. Elsa erinnerte sich daran, wie alt Ulissa war: Mit gerade mal sechzehn Jahren war sie nur drei Jahre älter als Elsa, aber es schien ein größerer Unterschied zwischen ihnen zu liegen. Ulissa war ein völlig anderer Mensch, ein bezaubernder Mensch, der eigentlich nicht böse aussah, zumindest konnte sich Elsa nicht vorstellen, dass man Ulissa wirklich etwas übel nehmen könnte.
    „ Hallo Pieksebart!“, sagte Ulissa nun zu Gaiuper und dabei spitzte sie spöttisch ihre rot angemalten Lippen. Elsa betrachtete es voller Bewunderung. Ulissa hatte etwas Verführerisches an sich, etwas Mitreißendes, wenn sie sich wie jetzt auf den Stuhl fallen ließ und mit dem weißen Arm wedelte, um einen Diener herbeizurufen:
    „ Bring dem kleinen Mädchen ein Glas heiße Milch. Sonst fällt sie noch vom Stuhl!“
    Der Diener nickte, ohne Elsa zu fragen, ob sie tatsächlich Milch haben wollte, und eilte davon.
    „ Bist du nun eine Gefangene?“, fragte Elsa. „Oder nicht?“
    Ulissa lachte fröhlich und selbst Gaiuper lächelte.
    „ Ich lasse mich niemals einfangen!“, erklärte Ulissa. „Ich bin es, die anderen sagt, was sie zu tun und zu lassen haben.“
    „ Aber deine Schwestern glauben …“
    „ Meine Schwestern!“ Ulissa klatschte in die Hände und dann nahm sie sich einen der gebratenen Vögel, die man ihr reichte. „Die sind leicht zu beeindrucken, meine Schwestern. Ich wollte sie nur ein bisschen ärgern. Wegen Morawena, weißt du.“
    „ Ich weiß nicht, was du meinst“, sagte Elsa.
    „ Morawena, das arme Ding, vergammelt seit acht Jahren in ihrem Käfig! Es muss schrecklich für sie sein. Deswegen habe ich diesen kleinen Erpressungsversuch unternommen. Mein Leben gegen Morawenas Leben, ist das nicht lustig? Natürlich wird sich Sistra nicht darauf einlassen, aber sie wird mal ehrlich zugeben müssen, wie wenig ich ihr wert bin!“
    Elsa versuchte noch, das Gehörte zu begreifen, als man ihr ein Glas mit heißer Milch vorsetzte. Die Milch roch anders als in Istland.
    „ Trink!“, forderte Ulissa sie auf. „Das hilft dir. Amandis geht es auch immer besser, wenn sie heiße Milch bekommt. Das ist gut für ängstliche Mädchen mit schwachen Nerven.“
    Elsa nippte an der Milch, mehr aus Verwirrtheit als aus Überzeugung. Aber es war tatsächlich ein angenehmes Gefühl, die Wärme der Milch zu spüren. Die Milch schmeckte nach Honig und Gewürzen und war gleichzeitig etwas salzig.
    „ Der Vogel in Sistras Käfig ist Morawena?“
    „ Ja. Weil sie ein Rabe ist und eine Mörderin, angeblich. Ich fürchte, wenn die Arme nicht bald befreit wird, geht sie jämmerlich ein.“
    Ulissa nahm ihren Vogel nicht auseinander, sondern hielt ihn mit beiden Händen fest, um das Fleisch mit den Zähnen abzureißen. Sie aß mit großem Appetit, anders als Gaiuper, der sich nur selten seine Gabel in den Mund schob. Er wirkte ungerührt, doch aufmerksam, die ganze Zeit. Elsa fragte sich, wie er und Ulissa zueinander standen. Sie hatte offensichtlich keine Angst vor ihm und er behandelte sie wie seinesgleichen. Ob er sie besonders mochte? Waren sie Verbündete?
    „ Ich habe Amandis meine Haare schicken lassen“, sagte Ulissa, „damit sie Sistra die Ohren vollheult. Schade, dass ich es nicht mit eigenen Augen ansehen konnte!“
    „ Sie machen sich große Sorgen um dich“, sagte Elsa. „Anbar glaubt, du wärst so gut wie tot!“
    Ulissa ließ interessiert ihren Vogel sinken.
    „ Ach ja? Hast du ihn getroffen?“
    „ Ja. In Brisa.“
    „ Er macht sich tatsächlich Sorgen um mich?“
    „ Ja, das macht er.“
    Ulissa sah erfreut aus.
    „ Schön“, sagte sie. „Das ist doch mal was.“
    „ Stimmt es, dass ihr euch in Antolia gestritten habt? So lange, bis er dich vor die Tür gesetzt hat?“
    „

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