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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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Er hatte versucht, sie zu töten. Sie erinnerte sich, wie Anbar gesagt hatte, dass ein Rabe niemals in die Hände der Rabendiener gelangen dürfe. Der Spion hatte es verhindern wollen. Obwohl sie ihr Leben verloren hätte, wenn er erfolgreich gewesen wäre, brach es ihr das Herz, als Gaiuper den Mann erstach. Weinend hielt sie Ulissa fest.
    „ Ulissa! Bitte nicht sterben! Lass mich nicht alleine hier! Bitte!“
    Das waren wohl die Worte, die sie stammelte, aber später wusste sie es nicht mehr genau. Jedenfalls nahm sich Ulissa ihr Flehen zu Herzen und öffnete noch einmal den Mund.
    „ Das Ding“, flüsterte sie und packte mit den Fingern den Reif um Elsas Hals, „das ist nur ein Trick … gib ihm nach … und dann …“
    Mehr brachte Ulissa nicht heraus. Elsa hörte sich selbst weinen. Wie gerne hätte sie Ulissa gesagt, dass alles gut werden würde, dass sie sie liebte wie eine Schwester und alles tun würde, um sie zu retten. Doch sie konnte nichts von alldem sagen oder tun. Sie konnte nur zusehen, wie das Leben Ulissa verließ. Viel zu schnell ging es fort und ließ Ulissas Körper schwer und kalt in Elsas Armen zurück. Ulissa sah nun jünger aus als zuvor, so zart und so hilflos. Es war Elsa, als ob sie sich selbst sähe, wie in einem Spiegel, für immer verloren.
    Gaiuper ließ den getöteten Spion forttragen und Ulissa wurde Elsa entrissen, obwohl sie sich heftig dagegen wehrte. Sie konnte nicht aufhören zu weinen, auch dann nicht, als ein Vogelmädchen kam, das sie an die Hand nahm und in ein Schlafgemach führte.
    „ Ich bin Sinhine“, sagte das Vogelmädchen. „Ich werde deine Freundin sein und zu dir halten, wenn du möchtest.“
    Elsa achtete nicht darauf. Sie befand sich im Dunkeln und wusste, die Dunkelheit und die Einsamkeit würden nie mehr aufhören. Nicht bevor alles vorbei wäre.

KAPITEL 7
     
    Gaiuper ließ Elsa nach einer schlaflosen Nacht zu sich rufen.
    „ Du wirst lernen, dass es notwendig gewesen ist“, sagte er zu ihr. „Vergiss Ulissa und sprich nie wieder über sie. Hast du das verstanden?“
    Sie sah ihn an und schwieg.
    „ Antworte mir, wenn ich dich etwas frage!“
    „ Das muss ich nicht tun!“
    Gaiuper lächelte milde.
    „ Ja, das ist wahr. Es ist nicht meine Aufgabe, dir zu sagen, was du zu wollen hast. Das werden andere erledigen. Ich denke, du solltest nun anfangen, Nundume zu lernen. Ich schicke dir einen Schläger.“
    Elsa begriff sehr schnell, was ein Schläger war und dass man einem solchen niemals widersprach. Die Schläger waren Lehrer, die in Bulgokar ihre Schüler aussuchten. Sie verschleppten die Erwählten in Gaiupers Festung und andere Niederlassungen des Rabenordens und bildeten sie aus. Der Schlag des Schicksals war in dieser Welt berühmt: Er brandmarkte ein Geschöpf, ob Mensch oder Vogelwesen, für immer als Rabendiener. Die, die das glühende Eisen aufsetzten, waren daher die Schläger des Schicksals, die Peiniger, die Stärkeren, die Unnachgiebigen. Ihnen war jedes Mittel recht, um den Schülern Respekt und Wissen einzuflößen. Das Nundume, eine uralte Geheimschrift, beherrschte Elsa sehr bald. Alle Bücher und Schriften im Kloster waren in Nundume verfasst. Kein Feind konnte sie entziffern.
    „ Und wenn doch?“, fragte Elsa ihren Lehrer. „Was passiert, wenn ein Rabendiener ausplaudert, wie man diese Schrift lesen kann?“
    „ Dann stirbt er“, erwiderte der Nundume-Schläger, „und mit ihm alle, die davon gehört haben. Jetzt weiter. Was steht hier geschrieben?“
    Die Nundume-Stunden waren angenehm gegen all die Kampf- und Beschwörungskünste, die Elsa außerdem erlernen sollte. Glücklicherweise hatte sie Sinhine, das Vogelmädchen, das den Unterricht mit ihr ertrug. Sinhine war genauso alt wie Elsa und gab sich alle Mühe, eine gute Freundin zu sein.
    „ Weißt du, Elsa“, pflegte Sinhine zu sagen, „wir fühlen uns jetzt ungerecht behandelt. Aber könntest du auf dieser schmalen Mauer laufen und dabei die Vögel vom Himmel holen, wenn sie netter zu uns wären? Die Schläger müssen streng sein, sonst würden wir nicht so viel lernen.“
    „ Warum willst du Vögel vom Himmel holen?“, fragte Elsa. „Ausgerechnet du?“
    „ Vögel haben keine Seele“, erwiderte Sinhine. „Sie sind ganz anders als wir, wann lernst du das endlich?“
    Elsa war anderer Meinung, doch schwieg. Sinhines Ansichten waren manchmal komisch, dafür war sie die einzige Verbündete weit und breit. In diesem fremden, trostlosen Land konnte Elsa mit dem

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