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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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dass sie ohnmächtig würde. Oder plötzlich in die Luft gehen möge wie eine Bombe, um Edon in Stücke zu reißen, aber möglichst langsam. Das war eine Vorstellung, die ihr wirklich noch Freude bereiten konnte: Edon, wie er in Zeitlupe stückchenweise in alle Richtungen flog, wobei Rumpf und Kopf noch eine Weile in der Luft schwebten, um mit rollenden Augen und zuckenden Nerven zu erkennen, dass ihnen ein ähnliches Schicksal bevorstand wie den Armen und den Beinen, die schon in unappetitlichen Klecksen an der Decke und den Wänden klebten. Doch es ging überhaupt nichts in die Luft und Elsas Sinne waren eher geschärft als ohnmächtig und so spürte und roch sie Edons grunzenden Atem sehr deutlich und konnte nichts dagegen tun. Für einen Moment wurde sie von der Hand erlöst, die zwischen ihren Beinen herumfummelte, denn Edon brauchte sie, um Gürtel und Hose zu öffnen. Die andere Hand hielt Elsas Arme nach wie vor gegen den Rücken gedrückt und das tat so weh, dass es sie von den Blicken der vier Männer ablenkte, die anstarrten, was unter den hochgerafften Röcken und der zerrissenen Wäsche zum Vorschein kam und was sie ihnen niemals freiwillig gezeigt hätte. Was sich aber als nächstes zwischen die Gefühle von Scham und Schmerz zu drücken versuchte, war in seiner Ekelhaftigkeit weder zu benennen noch zu ertragen. Elsa kniff die Augen zusammen und heulte unsichtbare Tränen in den Tisch hinein, während Edon lustvoll fluchte, da sich ihm Widerstände boten, die es zu brechen galt. Gerade als Elsa glaubte, ihr Körper, ihr Leben, ihre Seele würden nun gleich entzweigeschnitten, ohne Rücksicht auf Verluste, da hielt Edon wunderbarerweise inne. Denn jemand versuchte, die Kellertür zu öffnen und merkte, dass sie verschlossen war. Die Person trommelte dagegen.
    „ Edon? Berth? Seid ihr da drin? Lasst mich rein!“
    Edons Griff lockerte sich.
    „ Was macht die denn hier?“, zischte er.
    Auch die anderen äußerten leise ihren Unmut, flüsternd, schimpfend.
    „ Macht auf! Was habt ihr zu verbergen?“
    Es war Sistras Stimme.
    Mit einem ärgerlichen Laut zog Edon Elsa vom Tisch und mühte sich einhändig, seine Hose zu schließen. Als er es einigermaßen vollbracht hatte, befahl er Berth, die verdammte Tür zu öffnen. Alle Männer waren abgelenkt, als eine zornige, vor Wut bleiche Sistra den Raum betrat. Es konnte keinen günstigeren Augenblick geben als diesen, um sich schnell und plötzlich aus Edons Griff zu winden. Vieles von dem, was Elsa von den Schlägern gelernt hatte, machte sich jetzt bezahlt: Eine geschickte Drehung, dann ducken, ausweichen. Es genügte ihr ein kurzer Moment, in dem keiner der Männer sie berührte. In diesem Moment verloren die merkwürdigen Zwischenraumschnüre ihre Wirkung, alle Umrisse wurden klar und Elsa konnte wie eine Fontäne nach oben schießen. Der Zorn und die plötzliche Freiheit verliehen ihr eine unglaubliche Kraft: Sie hatte keine Ahnung, was für Gestalten sie gerade annahm. Es mussten mehrere sein und sie alle mussten unschön aussehen, denn Sistra, Edon, Berth und die anderen hätten ihrem leibhaftigen Tod nicht erschrockener in die Augen sehen können.
    Jetzt begriff sie auch, wie die flimmernden Schnüre funktionierten: Sie wanden sich aus den Möwen heraus und waren mit dem Zwischenraum verbunden. Es waren keine wirklichen Fäden, sondern Kräfte, die in Elsas Augen die Form von Fäden annahmen, sobald sie einen bestimmten Blick anwandte. Einen Blick, der halb in den Zwischenraum glitt. Auch Sistra zog solche Fäden mit sich herum. Sie schien eine Meisterin ihres Fachs zu sein, denn was sich um ihre Arme wickelte, war kunstvoll und fein gewebt. Es tanzte in der Luft, wenn sie den Arm bewegte. Wahrscheinlich lief Sistra die ganze Zeit so herum, und nicht einmal Elsa, die doch ein Rabe war, hatte damals bemerkt, dass es diese Zwischenraumfäden gab. All dies verstand Elsa schnell, unmittelbar und vollkommen. Und alles, wonach sie jetzt trachtete, war Rache. Sie musste nur diese Fäden und Schnüre außer Kraft setzen, um Edon in ein schmieriges, schwarzes Stück Asche zu verwandeln.
    „ Steht nicht dumm herum!“, schrie Sistra. „Jetzt können wir sie schnappen, genau jetzt!“
    Was das bedeutete, verstand Elsa nicht. Sie sah nur, dass Sistra die Arme hob und ein kunstvolles und überaus schön anzusehendes Zwischenraumgespinst in Elsas Richtung warf. Wie ein Netz breitete es sich aus. Ein Netz, das so gesponnen war, dass es Elsa von allen Möglichkeiten

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