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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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keinster Weise ähnlich gewesen. Hieß das, sie musste noch tiefer greifen? Berth Ritter? Oder Lars-Viktor, der kleine, milchgesichtige Junge mit den dicken Brillengläsern, der in den Verkehrsarchitektur-Kursen neben ihr gesessen und immer begeistert davon erzählt hatte, wie er in seiner Freizeit Traktoren entwarf? Bald war Elsa ganz verunsichert, wie hoch oder tief sie ihren Wert denn nun ansetzen sollte. Als Mädchen aus einer unaufgeklärten Welt mit Augen ohne Grund und einer Neigung zum Wegfliegen – was konnte sie da erwarten? Mittlerweile wusste sie immerhin, wie man Socken mit Löchern reparierte oder einen Abort so schrubbte, dass die Fliegen die Flucht ergriffen. Ob sie damit punkten konnte? Sie ging zum Brunnen, um frisches Wasser zu holen, und legte der Herrin, die mit den Augen blinzelte und leise wimmerte, einen neuen Lappen auf die Stirn.
    „Gnädige Frau?“
    „Ja, was ist, Migrall?“
    „Kann ich morgen in einer Woche einen freien Tag bekommen?“
    „Warum? Was ist an dem Tag?“
    Sommersonnwende in Wenlache, das wäre die korrekte Antwort gewesen. Aber damit hätte die Herrin nicht viel anfangen können.
    „Der Jahrmarkt kommt in die Stadt. Ich hoffe, dass ich dort ein paar alte Freunde treffe. Machen Sie sich keine Sorgen, gnädige Frau, es sind anständige Leute. Ich werde ganz bestimmt zurückkommen und nichts angestellt haben.“
    „Du bist selbst für dich verantwortlich“, sagte die Herrin, „und klug genug, um es zu sein. Geh meinetwegen und komm wieder, so wie du es versprochen hast.“

KAPITEL 38
     
    Es war das erste Mal, dass Elsa vor Helgis aufstand. Noch im Dunkeln tastete sie nach dem Sonntagskleid, das sie sich am Abend zurechtgelegt hatte. Es war das ordentlichste, aber auch das hübscheste Kleid, das sie besaß. Es hatte einen weiten Ausschnitt und schwarze Spitze an den Ärmeln und eine Schlaufe am Gürtel, in die man gut ein Messer stecken konnte. Nachdem sie sich gewaschen und angezogen hatte, ohne dass Helgis aufgewacht war, schlich sie in die Küche und lieh sich das Lieblingsmesser der Köchin aus. Es war klein und scharf und genau das, was Elsa für den Notfall brauchte. Ein bisschen schlechtes Gewissen hatte sie, denn die Köchin würde das Messer heute vermissen, aber schon morgen würde sie es hoffentlich unbenutzt und unbeschadet wieder vorfinden.
    Die Vögel sangen nach Leibeskräften, doch es war immer noch dunkel, als Elsa durch den Garten zu dem hinteren Schuppen ging, in den sich selten jemand verirrte, weil der Herr dort seltsame Dinge sammelte, die zu nichts gut waren, aber den Dreck und die Spinnen nur so anzogen. Es waren hauptsächlich Kisten aus Übersee, angefüllt mit Steinen und Schmuck von Ureinwohnern. Elsa stieg auf eine der Kisten und machte sich an die Arbeit. Dabei war sie aufgeregt, denn ausprobiert hatte sie es noch nie: Zwar konnte sie Löcher machen und wieder schließen. Aber durch eines steigen, es vom Zwischenraum aus schließen, dann am richtigen Ort ein neues machen, wieder hindurchsteigen und es wieder verschließen, das hatte sie noch nie gemacht und sie wusste auch nicht, ob es klappte. Außerdem fürchtete sie sich vor dem Zwischenraum und noch viel mehr vor Wenlache, denn es konnte ja sein, dass dort irgendwo Möwen hockten und nichts Besseres zu tun hatten, als sie zu entdecken. Aber ihre Chancen zu entkommen standen gut, es sei denn, sie würde in eine gut vorbereitete Falle tappen und das hatte sie nicht vor.
    Es war eine wackelige Angelegenheit, doch schon bald stand sie auf einer Kuhweide im Zwischenraum und hatte den ersten Durchgang und seine Spuren beseitigt. Wo sie Wenlache finden könnte, davon hatte sie eine klare Vorstellung, doch kniffliger war es, diese Welt im Umkreis der Ruine zu betreten und doch weit weg genug vom Tor zu bleiben, wo die Feinde lauern könnten. Elsa zögerte lange, merkte aber, dass sie dadurch nicht klüger wurde, da sie das Gelände rund um die Ruine nun mal nicht kannte. Also machte sie einen beherzten Schritt. Er führte sie ins dichte Gestrüpp einer sonnigen, waldigen, gut duftenden Welt, und sie beschloss, dort zu bleiben, wo auch immer sie gelandet war. Zur Not könnte sie den Rest des Weges fliegend zurücklegen. So schloss sie das Tor hinter sich und kletterte durchs Dickicht zu einem Ort, an dem mehr Licht war als im Gestrüpp.
    Dieser Ort war ein See, idyllisch zwar an diesem Sommertag, doch eine Ruine oder auch nur eine Spur davon war nirgendwo zu entdecken. Sie würde sich

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