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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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weil sie mich dazu angestiftet hat, im Treppenhaus herumzuklettern?“
    „Nein, das meine ich nicht“, sagte er mit einem beunruhigten Gesichtsausdruck, als hätte er gerade etwas erkannt, das ihm vorher nie in den Sinn gekommen war. „Es spielt keine Rolle. Lass uns weitergehen, sonst kommen wir nie unten an.“
    Bevor er weiterging, bekam Elsa einen Kuss, der sie noch mehr erstaunte als seine Verwunderung. Denn es war ein Kuss, der Mitgefühl ausdrückte. Mitgefühl für was? Es war ihr ein Rätsel. Sie wäre fast gestolpert, so sehr war sie in Gedanken. Sie hatte sogar mit Essen aufgehört.
    „Warte!“, rief sie, da er schneller ging als sie und sich zusehends von ihr entfernte. „Was weiß ich nicht? Sag es mir!“
    Er blieb stehen, doch nur einen Satz lang.
    „Wenn du es wissen wolltest, dann wüsstest du es.“
    Und weg war er. Jetzt reichte es ihr. Sie stellte ihre Dose ab und warf das Papier hinein, das sie in der anderen Hand zerknüllt hatte, um dann ihren Rock hochzuraffen und den abschüssigen Pfad hinabzulaufen, konzentriert über alle tückischen Wurzeln hinweg, bis sie ihn so gut wie eingeholt hatte. Noch eine Kehre und da – sah sie die Wiese und den See im Nachmittagslicht, das Gras weich, das Wasser glitzernd, ein kühler Spiegel im märchenhaften Grün. Sie musste sich hineinstürzen, denn sie war so durstig, dass sie den ganzen See hätte austrinken können. Also rannte sie an Anbar vorbei ins Wasser, immer tiefer hinein, bis es ihr an die Brust reichte und schöpfte sich mit den Händen das Wasser in den Mund. Es war kalt und köstlich.
    „Badet man so in Istland?“
    „Wie denn?“
    „Komplett angezogen. Ich würde es ja verstehen, wenn wir uns schlechter kennen würden …“
    Sie watete wieder aus dem Wasser. Nicht, dass es ihr etwas ausmachte, wenn das Kleid nass wurde, aber es konnte doch passieren, dass sie sich im Wasser aus Versehen in einen Fisch verwandelte. In der Verfassung, in der sie sich gerade befand, würde das Kleid womöglich verschwunden sein, wenn sie wieder ein Mensch wurde. Das war alles möglich und sie wollte doch bekleidet zu ihrer Herrschaft zurückkehren.
    „Du wirst es mir noch sagen“, erklärte sie, als sie schon wieder seine Hilfe wegen der Haken und Ösen in Anspruch nahm. Sie hätte die Verschlüsse auch selbst auseinander- und wieder zusammenfummeln können. Aber das dauerte länger und war nur halb so reizvoll. „Du kannst nicht so ein Gesicht machen und mir dann verschweigen, worum es geht. Sie hat mich doch nicht umgebracht, oder?“
    „Nein.“
    „Jetzt sag schon! Ich werde es verkraften!“
    „Das wirst du bestimmt. Aber die Lücke in deiner Erinnerung gefällt mir nicht. Es ist wahrscheinlich nicht die einzige.“
    Sie drehte sich zu ihm herum.
    „Was soll das jetzt wieder heißen?“
    Er ließ sich mit der Antwort Zeit.
    „Du vergisst, was dir nicht geheuer ist“, sagte er schließlich. „Vielleicht kannst du dich deswegen nicht an deine ersten Leben erinnern. Agnes ist jedenfalls nicht an ihren Verletzungen gestorben, sondern an einem Gift, das Segerte erst später entdeckt hat.“
    Er schaute, wie sie es aufnahm. Sie war sprachlos.
    „Es war ein Möwengift“, fuhr er fort, „eins, das langsam wirkt und Fieber hervorruft, aber kaum Schmerzen. Ulissa hatte eine Vorliebe für Gift und hat es schon als Kind gesammelt. Später kamen giftige Tiere dazu. Als Achtjährige hatte sie ein Kästchen, in dem sie alle möglichen Pillen und Pulver aufbewahrte, die sie an verschiedenen Orten zusammengeklaut hatte. Sie zeigte Agnes ihre Schätze und erklärte die Wirkung von jedem einzelnen Gift. Agnes zeigte sich von den drei kleinen, blauen Pillen begeistert, die Ulissa ihr als absolut tödlich und mild in der Wirkung beschrieb. Das hat mir Ulissa später gebeichtet.“
    Elsa starrte ihn an und wartete darauf, dass er weiterredete. Sie hatte keine einzige Erinnerung an dieses Geschehen.
    „Segerte hat sich gewundert, dass das Mädchen gestorben ist. Ihre Verletzungen waren nicht schwer genug. Er sagte es und Ulissa, die vorher geschrien und geschluchzt hatte, wurde auf einmal sehr still. Dann verschwand sie. Als sie wiederkam, war sie so kleinlaut wie später nie wieder in ihrem Leben. Denn sie hatte ihr Schatzkästchen durchsucht und nur zwei der blauen Pillen gefunden. Die dritte war verschwunden. Daraufhin nahm Segerte dem toten Mädchen Blut ab und untersuchte es. Das Ergebnis bestätigte unsere Vermutungen: Agnes war an diesem Gift

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