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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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zurückgelegten Strecke nicht gerade verwunderlich war. Julius, der nicht im Mindesten erschöpft wirkte, hatte die Frechheit, einen Marsch zu pfeifen, wie er das immer tat, wenn Herbie in Eile war, den Bus nicht schon wieder verpassen wollte oder versuchte, ein Geschäft noch kurz vor Ladenschluss zu erreichen. Meistens natürlich vergeblich.
    Herbie stellte fest, dass der Weg parallel zum Hang verlief und eine Kehre nach links machte, wo auch das Tal und der darin verlaufende Scheebenbach einen Knick machten. Für einen Augenblick wurde ihnen der Blick durch dichtes Gestrüpp versperrt, das linker Hand den asphaltierten Weg säumte. Das bizarre Astwerk der Schlehenbüsche überragte sie meterweit. Herbie erinnerte sich flüchtig an erste Kostproben der nahezu ungenießbaren Früchte in seiner Jugend. Er verlangsamte seinen Schritt und stellte im nächsten Augenblick fest, dass er gut daran getan hatte.
    Als sie das Gesträuch passiert hatten, wuchs linkerseits des Weges ein verrotteter Maschendraht aus dem Boden. Nur wenige Meter weiter feldeinwärts schälte sich die Silhouette eines kleinen Holzhauses aus der Schwärze der Nacht. Es war aus wild zusammengewürfelten Brettern und Bohlen gezimmert und duckte sich an den Erdboden, als habe der seit Jahrzehnten über den Bergrücken pfeifende Eifelwind es in die Knie gezwungen. Das Dach aus Wellblech reichte beiderseits beinahe knietief auf den Boden, und die schwarzen Fensteröffnungen ließen es tot und unheimlich aussehen.
    Scheint das Villenviertel von Buchscheid zu sein .
    Nur zaghaft traute sich Herbie aus dem Schutz der Schlehenbüsche hervor. Ein paar Meter weiter gab es eine Öffnung im Zaun, in die eine verrostete Eisentüre eingelassen war, die weit offen stand.
    »Das Haus von Richards Onkel! Leer und verlassen. Sie ist hier reingegangen«, flüsterte Herbie und ging automatisch in die Hocke, während er versuchte, das Gelände trotz der schlechten Lichtverhältnisse mit Blicken zu durchmessen.
    Wer sagt dir, dass sie nicht weiter den Weg hinuntergelaufen ist?
    »Nenne es Intuition, nenn es, wie du willst. Ich bin mir sicher.«
    Warum macht sie kein Licht im Haus?
    »Ich denke, das versteht sich doch von selbst. Schließlich will sie unentdeckt bleiben, oder?«
    Aber wenigstens die Taschenlampe müsste sie doch ... Ach, ich vergaß! Wir haben es doch hier mit dem international gesuchten Mitglied einer Hundeentführermafia zu tun. Skrupellos und kaltschnäuzig, zielstrebig auf dem Vormarsch zur Weltherrschaft und ausgestattet mit allem, was der moderne Verbrecher so braucht. Jetzt schaltet sie wahrscheinlich gerade ihr Infrarot-Nachtsichtgerät ein, schiebt die Gelddruckmaschine zur Seite und schmeißt den Laser an .
    »Quatsch! Dein Gefasel verliert stetig an Niveau. Das Einzige, was mich stutzig macht, ist, dass der Hund keinen Laut von sich gibt.«
    Sie haben ihm die Zunge herausgeschnitten!   Und mit Klaus-Kinski-Stimme fügte er hinzu:   Das machen sie mit allen ihren Opfern so .
    Mit ein paar raschen Schritten huschte Herbie geduckt zum Tor. Als er es mit der linken Hand berührte, schwang es vollends auf und schickte einen quietschenden Klagelaut in die Stille der Nacht.
    Alarm!!!
    Herbie kauerte sich tief ins Gras und wartete, bis sich der plötzlich auftretende Anfall namenloser Panik verflüchtigt hatte. Dann sagte er sich, dass es sich ja nun in der Tat nicht gerade um einen Schwerverbrecher handelte, sondern vielmehr um ein unbeholfenes Mädchen, das anscheinend ohne den Schutz irgendwelcher Waffen durch die Nacht geschlichen war. Das machte ihm Mut, und er wagte eine Bewegung auf die Hütte zu. Die ersten Schritte machte er zaghaft, dann flitzte er den Rest bis unmittelbar zu der Bretterwand des Gebäudes, an die er sich, heftig atmend, mit dem Rücken presste. Nun befand er sich direkt zwischen Fenster und Türe, und nachdem er einige Augenblicke gelauscht und außer dem fröhlichen Pfeifen des langsam herbeischlendernden Julius kein Geräusch vernommen hatte, beugte er sachte den Kopf zum Fenster. Im Inneren des Hauses war es so finster wie in einem Kohlenkeller. Am anderen Ende des Gebäudes konnte er zwei rückwärtige Fenster erkennen, deren Öffnungen sich anthrazitfarben aus der tiefen Schwärze hervorhoben.
    Sie ist nicht hier drin, glaub es mir. Versuch doch die Tür zu öffnen, ich bin mir fast sicher, dass sie so fest verschlossen ist wie seit Tagen .
    Herbie hätte beinahe irgendetwas wie ›Versuch’s doch selber!‹ gesagt,

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