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Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
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gegenüberliegenden Bergrücken. Er hatte helles Gefieder und lange, elegante Schwingenspitzen. Sein Flug sah anmutig und majestätisch aus.
    »Das war der Liebling vom alten Päul. Er hatte was übrig für ihre Eleganz. ›Meine Eiskunstläuferin‹ hat er immer gesagt. Bald zieht sie nach Süden. Dann wurde Päul immer besonders traurig.« Sie sahen dem anmutigen Flug des Vogels noch eine Weile stumm zu, bis sie ihn schließlich hinter einer Windung des Tales aus den Augen verloren.
    »Die Turmfalken, die hat er auch gemocht. Nur der Habicht, so sagte er immer, sei ein wirklich schlimmer Finger unter den Raubvögeln. Der schlägt alle Fasane. Hier gibt’s kaum noch welche. Ein gerissenes Vieh, dieser Habicht.«
    Herbie sah ihr zu, wie sie sich auf der Stelle drehte und die Weite des Himmels mit ihren Blicken durchmaß.
    »Alles ist kaputt hier. Rosi ist tot. Der Alte ist weg. Der Job kotzt mich an. Ich will weg!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ob in Afrika der Himmel genauso hoch ist wie über der Eifel? Ich würde es so gerne erfahren, mit eigenen Augen sehen.«
    Herbie schwieg betreten. Auch Julius hatte ein nachdenkliches Gesicht aufgesetzt. Herbie versuchte zu ergründen, was seinen Freund bewegte. Schlich sich da so etwas wie Verständnis hinter die gerunzelte Stirne seines fetten Begleiters?
    »Richard ist nach Australien gegangen. Der wollte auch hier weg. Scheint ihm nicht geschadet zu haben.«
    Fritz sah ihn an. »Richard? Ach so. Du meinst Rosis Richard. Ja klar! Der ist auch geflohen. Aber wenn du mich fragst, hatte der keinen Grund dazu. Die Rosi, die hat ihn geliebt.«
    »Sagte sie das?«
    »Manchmal, wenn das Thema auf den Tisch kam, da wurde sie ganz leise und hat alle Schuld auf sich genommen und hat doch tatsächlich gesagt, dass sie ihn wiedernehmen würde, wenn er wiederkäme. So was Verrücktes.« Sie lachte kurz und verächtlich auf.
    »Die beiden haben sich nicht scheiden lassen. Warum?« Herbie setzte sich wieder in Bewegung und kehrte dem Steinbruch den Rücken.
    »Die hatten wohl beide Angst. Vielleicht haben sie sich geschämt, wieder in Kontakt miteinander zu treten. Und so lebten sie jeder für sich in Ruhe. Ich weiß nicht, was Richard gemacht hat   downunder , aber Rosi hat alles radikal abgeblockt. An die kam kein Mann ran.«
    »Und die Frauen?«
    Fritz schmunzelte. »Ach, das meinst du … das war doch nur so’n Ausrutscher. Die Bea war nur ne Freundin, sonst nichts. Da ist nie mehr was gewesen. Soweit ich weiß.«
    Sie hatten die Stelle erreicht, an der noch bis zum gestrigen Abend die Hütte vom Raben-Päul gestanden hatte. Es gab ein paar verkohlte Pfosten, die aus dem Haufen aus Asche und Schutt hervorragten. Der Ofen war noch zu erkennen. Ein Wasserfass, das hinter der Hütte gestanden hatte, war unversehrt geblieben, aber der Rest war verwüstet.
    »Jetzt ist gar nichts mehr von ihm übrig. Der Raben-Päul ist endgültig in die Ewigen Jagdgründe eingegangen. Unten im Dorf hatte er noch ein Häuschen stehen. Direkt hinter der Kirche. Das hat er vor einem Jahr verkauft und ist hier raufgezogen. Das muss man sich mal vorstellen.«
    »Und der hat keine Probleme mit den Behörden gekriegt?«
    Fritz zuckte mit den Achseln. »Wo kein Kläger, da kein Richter. Der olle Päul war den Leuten doch scheißegal. Die Bauern haben ein bisschen von seiner Hilfe profitiert, wenn er ihnen die Krähen wegjagte. Aber sonst hatte doch keiner was mit dem zu tun. Lebte hier oben ohne Strom und nur mit Wasser aus der Regentonne.« Sie öffnete das Gartentor, das offensichtlich ein umsichtiger Feuerwehrmann wieder ins Schloss gezogen hatte.
    »War der Päul vielleicht ein bisschen meschugge?«
    Fritz stand vor dem Trümmerhaufen und sah ihn kopfschüttelnd an. »Nein, das war er nicht. Der war seltsam, der hatte verdammt viele Eigenheiten, der war ein Eifeler, wie er typischer nicht sein konnte, aber seine Sinne hatte er noch alle beisammen. Wenn nur der verdammte Suff nicht gewesen wäre!«
    Es begann zu nieseln. Sie ließen die Überreste des Schuppens rechter Hand liegen und steuerten auf das Geländer zu.
    »Der Päul hatte sich im Suff damals einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen. Zuerst kam er ins Krankenhaus in Euskirchen. Dann hat er da in der Psychiatrie den Entzug mitgemacht, und später war er dann ein paar Monate in einem Pflegeheim. Der war vielleicht glücklich, als er wieder auf die Raben losgehen konnte.«
    Das Geländer war aus grobem Holz zusammengeschustert. Mit

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