Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenschwarz

Rabenschwarz

Titel: Rabenschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Kramp
Vom Netzwerk:
können Sie selber sehen, wie Sie nach Blankenheim kommen!« Seine Laune hatte sich in den letzten Tagen nicht gerade verbessert. Brummend schlüpfte er in seinen grauen Mantel und warf sich einen Schal um. Es war kälter geworden. Der Winter würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Dann setzte er sich die Baskenmütze auf und begutachtete ihren Sitz im Garderobenspiegel. »Nicht rasiert! Verfluchte Scheiße!« Er verstreute Zigarrenasche, wo er ging und stand. »Ach, egal! Wer mich so nicht will, der soll zum Teufel gehen. Frau Stoffels!« Er lauschte in die Stille des Treppenhauses und hörte in weiter Ferne die weinerliche Stimme seiner alten Haushälterin: »Nur noch ein paar Minütchen!«
    Ungehalten schickte er ein paar unartikulierte Wutlaute die Treppe des Pfarrhauses hinauf, ergänzte sie durch ein lautstarkes: »Ich bin weg! Tschö!« und ein leiseres: »Wenn die ihren alten Arsch nicht bewegt kriegt … ist nicht mein Bier.« Dann rauschte er, die Diele ein letztes Mal mit trübem Qualm verpestend, zur Türe hinaus.
    Die zweiflügelige Eichentüre war gerade ein paar Sekunden zuvor donnernd ins Schloss gefallen, als Frau Stoffels auf dem Treppenabsatz erschien und ihre Handtasche verschloss.
    »Herr Pastor?«, fragte sie zaghaft. Im selben Augenblick hörte sie, wie draußen der kleine weiße Fiat des Pfarrers davonraste. Sie schüttelte verwirrt den Kopf und zwinkerte hinter ihren Brillengläsern. Sonst machte es ihm nie etwas aus, einen Moment zu warten. Zumeist war er sogar derjenige, der herumbummelte und dies und jenes noch rasch zu erledigen hatte. Aber heute … Dabei hatte er ihr angeboten, sie mitzunehmen, sodass sie ihre Cousine Lisbeth besuchen konnte, die nicht mehr gut zu Fuß war. Wo hatte er noch hingewollt? Auf jeden Fall hatte er sie in Blankenheim »rausschmeißen« wollen, wie er das immer so charmant formulierte. Seufzend stieg sie die Treppe hinunter, um von seinem Büro aus ihre Cousine anzurufen und ihr zu sagen, dass ihr Chauffeur sich bereits aus dem Staub gemacht hatte. Dem Mann war nicht mehr zu helfen. Warum tat sie in ihrem Alter noch diese Arbeit?
    All das ging ihr durch den Kopf, während sie das Arbeitszimmer betrat, in dem es nach altem Holz, welkem Papier und abgestandenem Zigarrenrauch roch. Als sie nach dem Telefonhörer griff, fiel ihr Blick in den Papierkorb. Etwa zehn Musikkassetten lagen darin. Das war merkwürdig. Sie erinnerte sich daran, mitten in der Nacht Musik gehört zu haben, hatte aber im Halbschlaf vermutet, dass es sich um die Probe vom Tambourkorps gehandelt hatte. Die Dorfmusikanten von Buchscheid probten im Dorfsaal oft bis in die Nacht, bei offenem Fenster und steigendem Alkoholkonsum.
    Der Kassettenrecorder, ein kleines, billiges Ding, stand auffällig zentral in der Mitte des Schreibtisches. Eine Kassette steckte noch darin. Neugierig drückte sie auf den Abspiel- knopf.
    Ein Orchester donnerte mit   tutti   und ließ den mickrigen Lautsprecher dröhnen. Ein klassisches Stück, das sie nicht kannte. Bei den Russen kannte sie sich nicht so gut aus.
    * * *
    Fritz hatte den Kücheneingang benutzt. Das verabredete Klopfsignal, das Herbie an die ersten Takte von Beethovens Fünfter und an den verbotenen englischen Sender aus unzähligen Kriegsfilmen erinnerte, hatte Rufus herbeizitiert, der sie ungesehen ins Haus schmuggelte, da ihre Pause bereits vor einer halben Stunde geendet hatte. Herbie überließ es Fritz, ihrem Freund die frohe Kunde zu überbringen.
    »Komm schon!«, sagte Herbie zu Julius, der den beiden nachsah, wie sie im Haus verschwanden. »Wir werden jetzt bei der obersten Heeresleitung einen fahrbaren Untersatz ordern.«
    Ich bin neugierig, wie du gedenkst, dieses Kunststück zu vollbringen. Denk daran, was du beim letzten Mal mit dem Benz deiner Tante angestellt hast. Ich bin mir sicher, dass die Kosten für die Reparatur an dem Fahrzeug dein immenses Erbe mächtig geschmälert haben .
    »Unterschätze die Summe nicht, die Tante Hetti für mich verwaltet. Mein unehelicher und mir gänzlich unbekannter Herr Vater hat nicht schlecht verdient und erst recht nicht schlecht gespart. Außerdem habe ich nicht vor, mir ein Fahrzeug zu   leihen . Ich bin vielmehr der Meinung, dass es an der Zeit ist, dass meine teure Tante mir etwas Vierrädriges   kauft! «
    Und die Erde ist eine Scheibe .
    »Du wirst sehen …« Er unterbrach sich, als sie durch die rückwärtige Glastüre den Ausstellungsraum betraten. In ein angeregtes Gespräch mit

Weitere Kostenlose Bücher