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Rabenvieh (German Edition)

Rabenvieh (German Edition)

Titel: Rabenvieh (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Anhofer
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es aus. Und ich wollte nicht nur, dass sie es bei ihrer Aussage beließ, sondern sie sollte ihre Worte auch in die Tat umsetzen. Genau das wollte ich. Sie erwartete sicher, dass ich sie weinend anbetteln würde. Nein! Ich nahm mir vor, wenn es soweit ist, nicht zu weinen. Das Monster sollte wissen, dass ich schon längst keine Angst mehr vor dem Tod hatte. Und ich wollte zumindest die letzten Minuten in meinem Leben stark sein. Ich wollte meine Augen nicht verheult für immer verschließen. Wie ich mich dabei fühlte, daran erinnere ich mich heute noch so gut, als wäre es erst gestern gewesen. Mit einem völlig ruhigen und gelassenen Ton sagte ich ihr: »Ja, bring mich um.« Damit rechnete sie nicht. Sie machte einen Schritt zurück, griff nach dem auf dem Bügeltisch abgestellten Bügeleisen und donnerte es mir ins Gesicht. Mit einer derartigen Wucht, dass ich mich hundertachtzig Grad um meine eigene Achse drehte, dabei über meine Füße stolperte und zu Boden fiel. Blut schoss mir aus der Nase und ich verlor kurzzeitig die Orientierung. Ich wollte mich gerade aufrichten, als sie mir mit ihren Holzpantoffeln einen Tritt in mein Hinterteil versetzte. Eine Schmerzwelle durchschoss meinen Körper. Die Farben gingen ineinander über und mir war, als müsste ich mich vor Schmerzen jeden Moment übergeben. Ich versuchte mich zu sammeln und aufzustehen, um ihr in die Augen blicken zu können. Doch irgendetwas schien mit meinen Beinen nicht in Ordnung zu sein. Ich konnte sie weder spüren, noch bewegen.
    »Steh auf du dreckiges Rabenvieh«, schrie sie mich an. »Reiß dich zusammen und steh auf, reiß dich zusammen und steh auf …«, sagte ich mir im Geiste unzählige Male hintereinander. Doch so sehr ich mich auch bemühte, ich schaffte es nicht. Ich rollte meinen Oberkörper zur Seite und sah zu ihr auf. Sie sah das als weitere Provokation, beugte sich zu mir nach unten und zog mich an den Haaren zu sich hoch. Ich baumelte wie eine Marionette vor ihr, deren Fäden sie in der Hand hielt und damit nach Belieben spielen konnte. Ich erhoffte mir den letzten befreienden Schlag. »Du dreckiges Rabenvieh, merk dir eines, du bist ein Nichts«, flüsterte sie mir stattdessen ins Gesicht, ehe sie mich wieder zurück auf den Boden fallen ließ. Sie griff in die Besteckschublade, entnahm daraus einen Kochlöffel, hockte sich neben mich, nahm meine rechte Hand und schlug mit dem Kochlöffel mehrmals auf meine Finger. Sie schlug damit genau auf meine Mittelhandknochen und ich dachte schon, sie hätte die Absicht, mir mit dem Kochlöffel die Finger zu brechen. Entgegen meiner Annahme tobte sie sich nur so lange aus, bis sie bläulich zu schimmer anfingen. Dasselbe praktizierte sie mit meiner linken Hand. Als sie sich abreagiert hatte, warf sie ihr Utensil auf die Arbeitsfläche der Küche und meinte, dass ich aufstehen und in mein Zimmer verschwinden solle. Ich hatte kein Gefühl in meinen Beinen, ich konnte nicht. Sie würde mir mein trotziges Verhalten schon noch abgewöhnen, wie sie meinte, und nahm mich daraufhin an den Haaren und zog mich aus der Küche, die Stufen hinab in den Keller. Sie »entsorgte« mich in meinem Zimmer. Ich hörte noch, wie sie die Kellertür hinter ihr energisch zuzog und mit dem Riegel sicherte.
    Ich war traurig, enttäuscht und furchtbar wütend. Vor lauter Zorn und Wut schlug ich mit meinem Kopf mehrmals gegen den Boden. Warum tötete sie mich nicht einfach? Mir war wohl klar, dass in diesem Fall das Pflegegeld in der Haushaltskasse fehlen würde, aber wenn schon, sie hätten zumindest einen Ballast weniger.

    Mir war kalt, furchtbar kalt. Ich lag auf dem Boden und blickte starr an eine der kahlen Wände. Der Geruch des modrig riechenden Bodenbelags stieg mir in die Nase. Gedankenverloren lag ich da und fing an, die jeweilige Anzahl der zweifarbig verlegten Filzfliesen zu zählen. Ich zählte zuerst alle dunkelgrünen, danach die braunen und als ich damit fertig war, fing ich wieder von vorn an. Solange, bis ich in einen unruhigen Schlaf fiel.
    Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen hatte, aber als ich wieder erwachte, musste ich schnell feststellen, dass meine Schmerzen nicht weniger geworden waren. Während ich fast ein wenig erleichtert darüber war, meine Zehen wieder spüren und bewegen zu können, begutachte ich meine Hände. Sie waren dick angeschwollen und schmerzten fürchterlich. Auf den Ellbogen rutschte ich zu meinem Schreibtisch. Beim Versuch mich daran hochzuziehen, durchstieß mich

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