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Rabenvieh (German Edition)

Rabenvieh (German Edition)

Titel: Rabenvieh (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Anhofer
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erneut ein stechender Schmerz. Ich schloss die Augen und biss die Zähne zusammen, um meine Schmerzen nicht hinauszuschreien. Ich versuchte es so lange, bis es mir nach unzähligen Versuchen gelang, aufzustehen. Die Kraft meiner Beine verließ mich jedoch sehr schnell wieder und ich fiel zurück auf den Boden. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was die Ursache für diese Taubheitsgefühle und diese höllischen Schmerzen von meinem Gesäß aufwärts waren. Hatte sie mir mit ihrem Tritt vielleicht einen Nerv eingeklemmt oder gar abgetrennt?

    In meinem Zimmer wurde es langsam dunkel. Durch das Hindurchspähen des Gitterschachts konnte ich an der Dämmerung ungefähr abschätzen, wie spät es mittlerweile geworden war. Seit Stunden lag ich nun auf dem Boden und krümmte mich vor Schmerzen. Ich versuchte eine Lage einzunehmen, in der es mir möglich war, über die Nacht zu kommen. Aber egal, in welche Position ich mich auch brachte, die Schmerzen waren immer dieselben. Erschöpft schlief ich irgendwann ein.

    Es war bereits stockdunkel, als ich wieder erwachte und feststellte, dass ich ein riesen Problem hatte. Ich musste auf die Toilette. Meine Beine waren nach wie vor völlig taub und aufgrund der schmerzenden und angeschwollenen Finger konnte ich nicht einmal an meine Hose fassen und diese nach unten ziehen. Ganz abgesehen davon hätte ich meinen Körper viele Meter auf den Ellbogen in den Gemüsekeller schleifen müssen. Lange Zeit versuchte ich mich mit allen möglichen Gedanken abzulenken, nur um den Drang auf die Toilette zu müssen, irgendwie unterdrücken zu können. Ich nickte zwischendurch immer wieder kurz ein und erwachte, wenn mir ein erneuter Schmerz durch den Körper schoss oder wenn mir meine Blase zu sehr schmerzte. Ich weiß nicht, wie lange ich meinen Harndrang unterdrücken konnte. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren.
    Meine Blase schmerzte nur noch fürchterlich und mir war, als würde sie jeden Moment platzen. Lange Zeit kämpfte ich gegen einen ungewollten Harnabgang an. So lange, bis ich nicht mehr konnte. Ich spürte, wie es mir warm zwischen meinen Beinen hinunterlief und die Hose meine Nässe aufsog. Ich begann zu weinen. Ich weinte dabei wie noch nie zuvor in meinem Leben. Mit meinen vierzehn Jahren hatte ich mir soeben in die Hose gemacht. Ich fühlte mich so gedemütigt und ich hatte keinerlei Selbstachtung mehr.

    Eine äußerst unruhige Nacht lag hinter mir. Auch wenn meine Finger nach wie vor bläulich schimmerten, waren meine Schwellungen etwas zurückgegangen. Ich konnte meine Zehen bewegen und meine Beine fühlten sich nicht mehr so gefühllos an wie noch am Tag davor. Ich befreite mich von meiner nassen Kleidung und sah einen riesigen dunkelblauen, fast schon schwarzen Fleck auf meinem Hinterteil. Es waren die Spuren ihres heftigen Trittes. Am frühen Vormittag sah meine Pflegemutter nach mir. Beim Verlassen des Kellers ließ sie die Schiebetür geöffnet, was so viel hieß, dass ich nach oben durfte. Mit kleinen Schritten marterte ich mich zur Tür. Jeder Schritt schmerzte höllisch und es dauerte eine Ewigkeit, bis ich die paar Stufen nach oben bezwungen hatte. Beim Garderobenspiegel legte ich eine Pause ein. Ich warf einen kurzen Blick in den Spiegel und erschrak im ersten Augenblick. Ich machte einen weiteren kleinen Schritt nach vorn und begutachtete im Spiegel den Abdruck des Bügeleisens auf meiner rechten Gesichtshälfte. In der Schule fehlte ich in den darauf folgenden eineinhalb Wochen aufgrund einer »Grippeerkrankung«.
    Selbst nach Wochen und Monaten waren die Schmerzen zum Teil immer noch unerträglich. Jede Art von Bewegung ging mir nach wie vor durch Mark und Bein. Meine Pflegemutter schrieb meinem Klassenlehrer eine Nachricht in mein Mitteilungsheft, mit dem Inhalt, dass ich vom Fahrrad gestürzt und dabei auf mein Hinterteil gefallen wäre. Von meinem Klassenlehrer bekam ich daher die Erlaubnis, für die nächste Zeit im Unterricht stehen zu dürfen. Hatte ich den ganzen Tag Schule, wusste ich nach Schulende nicht, was mir mehr wehtat. Mein Kreuz von der stundenlangen gebückten Schreibhaltung oder meine Schmerzen am Hinterteil.
    In den Jahren danach traten immer wieder Taubheitsgefühle in den Beinen auf. Auch die Schmerzen an meinem Hinterteil kamen immer wieder neu zum Vorschein. Im Erwachsenenalter wollte ich der Sache schließlich auf den Grund gehen. Ich suchte meine Hausärztin auf, die mir einen Überweisungsschein für einen Radiologen überreichte.

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