Rabenzauber
Unterkunft der Garde zurückfinden kann. Könnt Ihr mir eine Wegbeschreibung geben?«
9
S ie blieben schweigend sitzen, als Phoran mit seiner Geschichte fertig war, sich gegen ein Ende des Tischs lehnte und die Flammen in der Feuerstelle beobachtete. Der Kaiser bewegte sich jetzt weniger wie ein übergewichtiger Höfling und mehr wie ein Kämpfer als bei ihrer letzten Begegnung. Er wog immer noch ein bisschen zu viel und hatte ein eher rundliches Gesicht, aber inzwischen hatte er Muskeln unter den gepolsterten Schultern seiner Samttunika.
»Ich sehe, dass Toarsen und Kissel Euch begleiten und nicht mit Gerant gegangen sind«, stellte Tier schließlich fest.
Phoran lächelte. »Ich habe sie gebeten, ein paar Gardisten zu finden, auf die sie sich verlassen können, und sie sind zu dem Schluss gekommen, dass sie sich selbst am meisten trauen. Gerant und Avar sorgen dafür, dass der Rest der Sperlinge … der Kaisergarde beschäftigt ist, während wir in der Gegend herumreisen.«
Sein Lächeln verschwand wieder; er ging zur Feuerstelle und stützte sich auf das Sims. »Ich bin hierhergekommen«, sagte er leise, »weil ich hoffte, dass Ihr mich noch einmal retten könnt.«
»Ich weiß nicht viel über Mementos«, sagte Tier. »Seraph wird mehr Hilfe sein, und Lehr bricht morgen früh auf, um Brewydd zu finden.«
»Wer ist Brewydd?«, fragte Toarsen.
»Die Heilerin des Reisendenclans, der uns beim Kampf gegen den Pfad geholfen hat«, erklärte Tier.
»Die alte Frau?«
Tier nickte. »Sie verließen uns, bevor wir hierherkamen. Lehr könnte ein paar Tage brauchen, um sie zu finden.« Er dachte kurz nach. »Brewydd sagte, das Memento werde verschwinden, wenn es seine Rache hätte. Vielleicht glaubt es ja, dass das noch nicht geschehen ist.«
»Der Zauberer, der entkam«, meinte Phoran.
Tier nickte. »Der Schatten.« Tier hatte dem Kaiser schon vor ihrem Aufbruch aus Taela von seinem Verdacht erzählt, aber Toarsen zuckte sichtlich zusammen. »Wir sind auch nicht froh, dass er fliehen konnte. Wenn es das ist, was das Memento aufhält, dann können wir vielleicht wirklich helfen. Wir sind selbst auf der Suche nach ihm.«
»Nach dem Schatten?«, fragte Toarsen barsch. »Der wurde schon vor langer Zeit getötet.«
»Nicht derselbe Schatten«, sagte Seraph mit vor Erschöpfung heiserer Stimme. »Nicht der namenlose König. Wir reden von einem anderen Zauberer, der eine Möglichkeit gefunden hat, von der Macht des Pirschgängers stärker zu werden. Er scheint allerdings noch nicht die gleiche Macht erreicht zu haben - und wir wissen nicht, warum.«
»Seid Ihr sicher, dass es einen anderen Schatten gibt?«, fragte Phoran.
Tier nickte, aber er sagte dem Kaiser nicht, dass ihre Überzeugung sich vor allem auf Ellevanals Wort stützte. Irgendwie dachte er, Phoran fände es glaubwürdiger, wenn er nicht zu viel erklärte.
»Wer ist der Pirschgänger?«, fragte Toarsen.
»Die Schuld der Reisenden«, erwiderte Seraph. »Obwohl ich Euch bitten möchte, das für Euch zu behalten. Vor sehr langer Zeit, bevor es Reisende gab, existierte eine Zaubererstadt, wo Magier voneinander und aus der dortigen Bibliothek lernten. Sie waren ein arroganter Haufen und verließen sich
darauf, dass ihre große Macht sie retten würde, selbst wenn sie sich mit Dingen beschäftigten, die man lieber nicht anrühren sollte.«
»Sie schufen etwas«, übernahm Lehr den Faden. »Etwas, das all ihre Macht und ihre Gelehrsamkeit nicht beherrschen konnte. Also opferten die Zauberer die Stadt und alle darin, mit Ausnahme ihrer selbst, und banden den Pirschgänger auf diese Weise. Aber da sie wussten, dass selbst diese Fesseln unvollkommen waren, schworen die Überlebenden, den Schaden zu bekämpfen, den er immer noch anrichten konnte. Sie wurden zu Reisenden - und der Schatten gehört zu den Dingen, die sie bekämpfen.«
Phoran rieb sich das Gesicht, und Tier sah ihm seine Erschöpfung deutlich an. »Wir müssen also den Schatten töten, damit ich das Memento loswerde?«
Tier zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht sicher. Habt Ihr das Memento schon gefragt?«
»Seit es meine Angreifer tötete, ist es nicht wieder aufgetaucht.«
»Er nährt sich nicht von Euch?« Seraph richtete sich erstaunt auf. »Das ist gefährlich, Phoran. Wenn es immer noch an Euch gebunden ist und sich nicht mehr nährt, wird es verblassen.«
»Das wäre doch gut, oder?«, fragte Toarsen.
»Es wird den Kaiser mitnehmen, wenn es geht.« Seraphs Stimme hatte eine gewisse
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