Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Insekten und dieses Gefühl, das ihr sagte, wo Jes war, und das nichts mit Magie zu tun hatte, sondern mit der Macht der Verbindung zwischen einer Frau und ihrem Mann.
    Er machte an einem sanften Hang halt, der von vergilbendem Gras überzogen war und sich für Hennea nicht sonderlich von anderen Stellen zu unterscheiden schien, an denen Jes vorbeigegangen war, ohne langsamer zu werden. Dort breitete er eine Decke aus, reichte Hennea die andere und legte sich dann auf den Bauch, damit ihm die spätnachmittägliche Sommersonne auf den Rücken schien.
    Hennea schüttelte ihre Decke nicht aus, sondern faltete sie und legte sie auf eine freie Ecke seiner Decke. Sie setzte sich darauf, zog die Beine an die Brust und stützte das Kinn auf die Knie, bereit, über ihn zu wachen, während er schlief.
    »Ich erinnere mich, dass Papa eine Weile beinahe jede Nacht Albträume hatte.«
    Jes’ Stimme war so leise, es hätte beinahe der Wind sein können, der die Blätter der Bäume rascheln ließ.
    Hennea schwieg weiter.
    »Er hat sie immer noch … ich denke, sie kommen von seiner Zeit als Soldat. Obwohl einige von ihnen jetzt vielleicht auch damit zusammenhängen, ein Gefangener des Pfads gewesen zu sein.«
    »Ich werde über deine Träume wachen.« Hennea hätte beinahe
seine Schulter berührt, die ihr so nahe war, dass sie seine Körperwärme spüren konnte. »Ich werde dich wecken, bevor sie zu schlimm werden.«
    »Danke«, sagte er und schlief ein.
    Hennea blieb in der Sonne sitzen und versuchte, an nichts zu denken, aber stattdessen fiel ihr wieder ein, was Seraph über all die seltsamen Zufälle gesagt hatte, die das Leben ihrer Familie formten.
    Der Gedanke, dass sich jemand in ihr Leben einmischte, jemand, den sie nicht kontrollieren konnte, hatte Seraph geärgert. Aber Hennea fand es seltsam erhebend. Wenn es so viel Böses auf der Welt gab, war es dann möglich, dass es auch Gutes gab?
    Die Götter sind tot, erinnerte sie sich eindringlich. Aber sie konnte die Hoffnung nicht töten, die Seraph ihr gegeben hatte.
    Nach etwa einer Stunde fing Jes an, unruhig zu werden. Sie hatte vermieden, ihn anzusehen, denn manche Menschen spürten es, wenn sie beobachtet wurden - und bei Jes’ Fähigkeiten nahm sie an, dass auch er zu dieser Gruppe gehörte. Aber ein leises Geräusch erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie beobachtete die leichten Muskelbewegungen in seinem Gesicht und suchte nach einem Hinweis auf seine Träume. Langsam verhärtete sich sein Gesicht zu diesem Anderssein, das ihr mitteilte, dass der Hüter da war. Sie hatte zuvor nie gesehen, dass so etwas einem Adler im Schlaf geschah.
    »Jes«, sagte sie leise. »Hüter, wach auf. Du träumst.«
    Er fuhr so schnell herum, dass sie ihn beinahe einem Reflex folgend geschlagen hätte. Zwei Arme, stark und fest, schlangen sich um ihre Hüften, und Hennea wusste, sie würde am nächsten Tag blaue Flecken haben. Er vergrub seinen Kopf an ihrer Mitte und kauerte sich um sie herum.
    »Ganz ruhig.« Sie berührte sein Haar leicht, aber dann kam sie zu dem Schluss, dass er sich wohl kaum so fest an sie drücken
würde, wenn ihre Berührung ihn störte, und sie grub die Finger in die dunklen Strähnen. »Kannst du darüber reden?«
    Er schüttelte entschlossen den Kopf.
    Sie beugte sich über ihn und legte die Arme um ihn, so gut sie konnte - es war nicht einfach für sie, sich zu bewegen, solange er sie so festhielt.
    »Ganz ruhig«, wiederholte sie. »Es ist schon gut.«
    »Er erinnert sich«, sagte Jes nach einer Weile zögernd. Dann entspannte er sich ein wenig, und sie glaubte, er schlafe wieder ein.
    »Woran erinnert er sich?«, flüsterte sie.
    Jes schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht, aber es macht ihm Angst.«
     
    Phoran sah zu, wie Jes und Hennea das Haus verließen. Er wusste, dass etwas geschehen war, aber da er selbst die Reisendensprache nicht beherrschte, war er nicht sicher, worum es ging. Später würde er Toarsen fragen können, der wie viele ehemalige Sperlinge ein paar Worte der Reisendensprache kannte.
    Aus irgendeinem Grund, dachte er, als er sich wieder den Landkarten zuwandte, hatte er erwartet, dass Tier sein Problem über Nacht lösen könnte. Stattdessen hatte er den größeren Teil der Woche damit verbracht, auf dem Hof zu arbeiten. Er hatte den Verdacht, dass viele Aufgaben, die Tier ihm übertragen hatte, vor allem dem Zweck dienten, ihn zu beschäftigen - aber nicht alle. Überleben, hatte er in dieser Woche gelernt, verlangte Zeit und

Weitere Kostenlose Bücher