Rabenzauber
umgebracht.«
»Lukeeth starb am selben Tag, als Tiers Weisung angegriffen wurde«, sagte sie. »Jedenfalls, soweit ich weiß.«
»Was hast du herausfinden können?«, fragte Tier und legte die Hand auf ihre Schulter.
Sie hielt seine Hand mit der ihren fest. »Warte«, sagte sie. »Lehr?«
»Ich erinnere mich nicht genau, aber es geschah entweder an diesem Tag oder am Tag davor.«
»Tier, erinnerst du dich, was dich an dem Tag berührt hat, als wir bemerkten, dass etwas mit deiner Weisung nicht stimmt?«
»Ich war den ganzen Morgen in der Bäckerei, Seraph«, sagte er. »Natürlich haben alle möglichen Leute mich angefasst.«
»Sag mir, wer«, forderte sie und drehte sich zu ihm um, damit er sehen konnte, wie wichtig es ihr war. »Sag es mir. Es geht mir nicht um jeden, mit dem du gesprochen hast, nur um die Leute, die dich angefasst haben, Tier.« Er war ein Barde. Er würde sich erinnern können.
»Selbstverständlich Alinath und Bandor«, sagte er bedächtig. »Dann kam der Braumeister mit der Hefe, um zu ersetzen, was wir verloren hatten. Der Müller brachte Mehl. Dann kamen Ciro und sein Sohn. Das waren die einzigen Leute, die mich berührten - jedenfalls, soweit ich mich erinnern kann.«
»Was ist mit der Schänke?«
»Regil berührte mich, als er mir seine Laute gab. Und ich habe Willon die Hand geschüttelt.«
»Einer dieser Leute war der Schatten«, stellte Seraph fest.
Phoran setzte sich auf. »Der Schatten ist ein Rederni? Redern ist ein sehr kleiner Ort, Seraph. Es würde doch sicher auffallen, wenn jemand nicht altert, wie er es sollte.«
»Willon.« Rinnies Stimme war sehr leise. »Willons Laden liegt direkt unter dem Tempel der Fünf. Diese Gänge führten nicht nur unter den Tempel, sie befanden sich hinter seinem Laden. Vielleicht ist er auf sie gestoßen, als er seinen Laden tiefer in den Berg grub.«
»Willon war in Taela, als Tier gefangen gehalten wurde«, sagte Phoran. »Ich sah ihn im Laden seines Sohns.«
»Der Schatten kann keinen Sohn haben«, wandte Hennea ein. »Fortpflanzung gehört nicht zu den Fähigkeiten des Pirschgängers.«
»Meister Emtarig ist nicht wirklich Willons Sohn«, erwiderte Phoran. »Ich erinnere mich nicht, wer mir das erzählt hat, aber Willons Frau starb, ohne ihm Kinder zu schenken, und er adoptierte einen seiner Lehrlinge, einen Waisenjungen.«
»Willon hat mir von der Seuche in Colbern erzählt«, sagte Tier verblüfft. »Sie sind auf dem Rückweg von Taela an Colbern vorbeigeritten, berichtete er. Aber Lehr oder Jes hätten es doch sicher bemerkt, wenn Willon der Schatten wäre.«
»Sie wussten nicht, was er war, bevor das Memento ihm in Taela einiges von seiner Magie nahm.« Hennea tippte ungeduldig mit den Fingern auf ihre Knie. »Aber wenn es wirklich Willon ist, wo sind dann die Leichen? Der Schatten nährt sich von Tod.«
»Colbern«, sagte Lehr.
»Willon ist ein paarmal im Jahr unterwegs«, meinte Seraph. »Vielleicht jagt er zu diesen Zeiten.«
»Die Tempel«, warf der Hüter ein. »Ich saß vor seinem Tempel in Redern und spürte, dass sich etwas davon nährte, aber ich verstand nicht, was da geschah. Der Pirschgänger war nicht der Herr des Todes, sondern der Herr der Zerstörung. Der namenlose König nährte sich nicht nur vom Tod, sondern auch von den Schmerzen und dem Leid, die vor dem Tod kamen. Der Schatten nährt sich von Gefühlen - Hass, Neid, die Dinge, die Bandor verzehrten, bevor Hennea ihn von der Besudelung befreite.«
»Willon kam nach Redern, nachdem ich mit Seraph aus dem Krieg zurückgekehrt war«, sagte Tier. »Es wäre durchaus möglich, dass er uns gefolgt ist, nachdem ich den Mann getötet hatte, den der Pfad Seraph nach dem Tod ihres Bruders hinterhergeschickt
hatte. Aber ich dachte, der Schatten altere nicht? Willon ist nun älter als damals.«
Seraph schüttelte den Kopf. »Eine Illusion. Das würde nicht viel brauchen, jedenfalls nicht genug, dass es mir auffallen würde. Redern ist die ganze Zeit von ein wenig Magie umgeben.«
»Mehalla«, sagte Jes, seine Stimme ein Grollen, das Seraph die Nackenhaare sträubte.
Seraph fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Keulenschlag versetzt. Er hatte recht. Bei der Lerche, er hatte recht!
»Sie war so krank«, flüsterte Tier. »Sie wurde im Frühjahr krank, und es wurde einfach nicht besser. Aber sie klammerte sich noch Monate ans Leben.«
»Sie hatte Krämpfe«, sagte Lehr. »Ich erinnere mich daran, wie Mutter sie festhielt, damit sie sich nicht
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