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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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deinen Namen zu nennen. Das wird jeder
einsehen.« Er raunte: »So einen muß man umarmen, sanft im Nacken fassen und
dann schnell zudrücken. Du mußt ihm das Rückgrat brechen. Das ist wahre
Wissenschaft. Das ist Dekonstruktion.«
    Er habe auch Klausinger zu
diesem Termin geladen, und noch während er das sagte, klopfte es an der Tür,
und die stellvertretende Vorsitzende, Professorin Karin Furner, trat ein.
Hinter ihr ein Mann, salopp gekleidet, helles Sakko, randlose eckige Brille,
eine angenehm unaufdringliche Erscheinung, die so gar nicht den Vorstellungen
entsprach, die Ethan sich von dem anderen gemacht hatte. Karin Furner sagte:
»Darf ich vorstellen: Ethan Rosen - Rudi Klausinger.«
    Die beiden nickten einander
zu, und Wilhelm Marker meinte, wie gut, wenn die wechselseitigen Vorwürfe nun
ausgeräumt würden. Die beiden mögen sich doch setzen, worauf Klausinger
einwandte, bitte, er habe niemanden des Antisemitismus bezichtigt.
    Davon sei bei ihm auch
explizit nicht die Rede gewesen, sagte Ethan. Er habe einen toten Freund
verteidigt.
    Na, Ressentiments seien ihm
schon unterstellt worden, dabei habe er nur Ethan Rosen selbst zitiert, so
Klausinger.
    Wilhelm Marker klopfte mit
seiner Füllfeder auf den Tisch. Ob er denn nicht wisse, daß dieselben Sätze
ganz anders klingen können, wenn sie aus dem Mund eines anderen kommen, fuhr
er Klausinger an. Ob er noch nichts von Kontext gehört habe? Insbesondere bei
so heiklen Themen.
    Klausinger, sagte Karin
Furner, habe immerhin in Jerusalem und in Beer Sheva gelehrt. Wenn sein Text
distanzlos war, dann nur, weil er eben so vertraut sei mit israelischen
Debatten. Klausinger sei, sie müsse das sagen, ein Phänomen.
    »Na ja«, sagte Klausinger.
    Doch, sagte Karin Furner, sie
habe ihn auf internationalen Konferenzen, in London, in Paris, in Rom erlebt.
Überall sei er eingetaucht in die Lebensart der Stadt, habe nicht bloß
akzentfrei gesprochen, sondern auf Anhieb den lokalen Tonfall angestimmt. Sogar
sein Äußeres schien sich dem jeweiligen Landescharakter angepaßt zu haben. Er
sei ein Verwandlungskünstler. Und was die Frage nach einschlägigen Vorurteilen
angehe: Klausinger sei immerhin Judaist, habe Modernhebräisch studiert,
verstehe das Ladino der Sepharden, beherrsche aber vor allem ein Jiddisch wie
nur wenige. Von ihm stammten wichtige Arbeiten über moderne Texte dieser
Sprache. Es wäre durchaus denkbar, daß Klausinger über das Judentum eingehender
geforscht habe als Rosen.
    »Na und?« fragte Ethan. Das
sei doch in der Tat gar nicht sein Gebiet. Wieso stehe diese Disziplin
plötzlich zur Debatte?
    »Ist alles, was ich, der
Österreicher, schreibe, Ressentiment, während das, was der israelische Kollege
von sich gibt, als Eigensinn und Eignung anerkannt wird? Was, wenn ich selber
jüdisch wäre? Würde mein Nachruf plötzlich legitim werden? Was würden Sie
sagen, wenn ich nicht jüdisch wäre, aber mein Vater sehr wohl? Nein, winken Sie
nicht ab. Hören Sie zu. Was, wenn ich der uneheliche Sohn eines Überlebenden
wäre? Ein Bastard. Was dann? Wenn ich seit meiner Jugend dem Liebhaber meiner
Mutter nachforsche? Wenn ich meine Dutzende Würdigungen für Wiener Emigranten
immer mit dem Gedanken im Hinterkopf geschrieben habe, das könnte mein Vater
sein? - Vielleicht hätte ich sonst überhaupt nicht Judaistik studiert,
Hebräisch gelernt und Jiddisch erforscht.«
    Klausinger machte ein Gesicht,
als hätte er ein intimes Geheimnis enthüllt, und Ethan fühlte sich an Gäste
einer Talkshow erinnert, die, vom Beifall angeheizt, ihre obskuren sexuellen
Vorlieben beichteten. Erschrocken über die eigene Courage. Wie Klausinger seine
Abstammung, eine rein biologische Tatsache, präsentierte, dachte Ethan, war
scheinheilig und bemüht, hatte etwas von der bigotten Enthüllung eines bloß
vorgeblich verruchten Geheimnisses.
    Karin Furner lächelte. Jetzt
verstehe sie. »Was denn?« fragte Marker.
    Der Sohn eines Juden, so
Furner, könne doch kaum antisemitisch sein.
    Das klinge, sagte Ethan, nach
einer neuen Rassentheorie. Glaube Kollegin Furner etwa, Antirassismus werde
genetisch übertragen? Durch jüdische Väter etwa?
    Marker schaute Klausinger an.
Ob er denn seinen Vater je getroffen habe?
    Nein, sagte Klausinger und
fügte hinzu, sein Vater sei ein Israeli, soviel habe er inzwischen
herausgefunden, ein international tätiger Geschäftsmann aus Wien, der mittlerweile
in Tel Aviv lebe. Während er sprach, musterte er Ethan, sah ihn an, als rede er
nur zu

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