Rabinovici, Doron
ihm, in einem Code, den bloß sie beide verstünden. Er habe nicht vor,
sich irgend etwas verbieten zu lassen, nicht einmal, von der Massenvernichtung
palästinensischer Ölbäume zu reden, aber! — er sei gerne bereit zu einem
gemeinsamen Statement, um den Streit beizulegen und das Institut aus der
öffentlichen Debatte herauszuhalten. Eine Erklärung, worin festgehalten werde,
niemand werfe dem jeweils anderen irgend etwas Persönliches vor. Keine
Vorurteile und keine Unredlichkeit.
Marker nickte Furner zu,
während Klausinger ein Papier aus seinem Sakko holte und es auffaltete. Er
habe bereits alles formuliert, sagte er. Alle schwiegen. Marker überflog die
Zeilen. Er gab es an Ethan weiter, der es auf den Tisch legte, ohne einen Blick
darauf zu werfen.
Die anderen sahen ihn fragend
an, doch Ethan Rosen stand auf und sagte bloß: »Das wird nichts. Ich ziehe meine
Bewerbung zurück.«
»Das ist doch lächerlich«,
meinte Marker erschrocken.
Furner stimmte ein: »Bleiben
Sie.«
Und Klausinger: »Wollen Sie
mein Schreiben nicht wenigstens lesen?«
»Es hat keinen Sinn«, sagte Ethan.
»Tut mir leid.«
Buddhas aus rosa Plexiglas.
Linsengerichte auf eckigen Tellern. Sie trafen einander beim Inder im Hochhaus,
saßen über Eck, teilten die Speisen, teilten sie einander zu. Im Hintergrund
sang Carmen McRae vom Black Coffee, und während er erzählte, rückte Noa näher.
Was das bedeute, hatte
Klausinger noch in die Runde gefragt. Seinen Teil der Abmachung habe er doch
eingehalten. Was sei mit dem Forschungsprojekt, das ihm versprochen worden
war.
Noa lachte und schüttelte den
Kopf, aber Ethan winkte ab. Um Klausinger sei es ihm gar nicht gegangen. Es war
auch nicht die vorbereitete Stellungnahme gewesen, die ihn umgestimmt hatte.
Obwohl diese Verlautbarung im Zweierpack nicht verlogener hätte sein können.
Marker habe sogleich gemeint, niemand bestehe auf diesem gemeinsamen Text. Es
sei doch nur ein Vorschlag gewesen, um den Streit einzugrenzen. Der
Institutsvorsitzende und Freund sei vor ihm eingeknickt, habe ihre jahrelange
Verbundenheit beschworen und ihn angefleht, jetzt bloß nicht überstürzt zu
handeln. Selbst Karin Furner sei plötzlich umgeschwenkt und habe versichert, es
sei nie darum gegangen, seine Chancen auf die Professur zu schmälern. Aber kein
Argument hätte ihn noch umstimmen können. Er wollte nicht mehr. Klausingers
Enthüllungen über seine Herkunft waren zu obszön gewesen. Er habe keine Lust,
dort zu arbeiten, wo Abstammung den eigentlichen Qualitätsbeweis darstelle. Wo
allein ein sogenannter Halbjude zu sein als Befähigung ausreiche. Und dann
Klausingers Blick. Das Geraune vom jüdischen Erzeuger, als wären sie verwandt,
als wäre er sein illegitimer Bruder.
In Wahrheit, fügte er leise
hinzu, sei aber auch das nicht der wahre Grund für seinen Rückzug gewesen. In
Wahrheit habe er an seinen Vater denken müssen, als Klausinger vom israelischen
Unternehmer erzählte. An das Lachen, wenn Felix Rosen heimgekehrt war, wenn er
ihn, seinen Sohn, begrüßt, wenn er die Mutter umarmt und ihren Kopf an den
seinen gepreßt hatte wie eine Frucht, um Küsse auf ihren Mund zu drücken. Im
Dutzend. Eine Umarmung wie ein Schraubstock. Er wolle für diesen Mann, der nun
krank im Spital lag, dasein. Es sei vielleicht die letzte Gelegenheit, mit ihm,
der immer unterwegs und anderswo gewesen war, zusammenzukommen.
In Wahrheit, so Ethan, habe
ihr Wunsch, die gemeinsame Rückkehr zu versuchen, ihn angesteckt. Nein, ihre
Argumente hätten ihn nicht überzeugt. Er wolle aber lieber mit ihr irren, als
ohne sie recht behalten, sagte er, und daraufhin lächelte Noa und nickte, ganz
langsam, als bewege sie sich in zäher Flüssigkeit.
Sie werden Kaddisch für mich
sprechen. Hörst du? Draußen kocht die Stadt, das Dröhnen eines
Preßlufthammers, ein Bagger kreischt über den Asphalt, Metall und Stein stoßen
aufeinander. Jerusalem aus Gold und aus Kupfer und aus Licht, Stadt der
Heiligkeit und Metropole der Eiligkeit, das Fundament aller Fundamentalisten,
expandiert. Katharina ist aufgewacht. Ich höre sie in der Küche. Sie dreht das
Wasser auf und läßt es fließen.
Heute fahre ich wieder mit
Achtzehnjährigen nach Auschwitz. In den letzten Wochen ging ich in ihre
Schulen, um sie auf die Reise vorzubereiten. Ja, vielleicht auch, um
sicherzustellen, daß nicht geschieht, wovor du in deinem Artikel gewarnt hast.
Aber womöglich erschreckt mich gar nicht, was du befürchtest. Was ist
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