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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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und Chicago, Geschäftspartner aus Moskau und Singapur.
Manche erzählten von anderen Todesfällen, von den Verstorbenen aus der eigenen
Familie. Ethan sagte dann: »Ich muß jetzt weitermachen. Du weißt schon: die
Vorbereitungen.«
    Nimrod Kami, der
Schiffseigner, der Felix geraten hatte, auf indische Nieren zu setzen, meinte:
»Vielleicht war es für ihn das beste. Er litt so sehr an seiner Krankheit. Du weißt
doch. Er wollte nie schwach sein. Er war — ein Mann!« Ethan verabschiedete sich
schnell, aber der Gedanke, Felix hätte den anderen nie zur Last fallen wollen,
wurde von vielen geäußert.
    Ob sie recht damit hatten? Als
sich sein Vater das Bein gebrochen hatte, hatte er sich geweigert, einen Stock
zu nehmen. Er war später auch nicht zu überreden gewesen, eine stärkere Brille
zu tragen, obwohl seine Kurzsichtigkeit zunahm. Felix war bis zum Schluß Auto
gefahren, und zwar sehr schnell. Er war ein Raser, als könne er allen Gefahren
so besser entgehen. Sein Fahrstil war legendär. Er riß am Lenkrad, stieg abrupt
auf die Bremse, um dann wieder aufs Gas zu treten. Auch bei Sturm oder Schneetreiben
ließ er den Wagen nicht stehen. Immerhin: Bei richtig schlechten
Sichtverhältnissen, wenn für niemanden mehr viel zu erkennen war, hatte sich
seine Sehstärke beinahe derjenigen von Normalsichtigen angepaßt. Am schlimmsten
aber war es bei Dunkelheit. Felix, weitgehend nachtblind, konnte dann nur noch
Schemen und schwache Lichter ausmachen. Seine einzige Orientierung waren die
Rücklichter der anderen Wagen. Einmal hatte er Ethan im Audi mitgenommen. Ein
alter Kleinlaster parkte mitten auf der Strandpromenade. Der Lieferwagen stand
in der Finsternis, während Felix den Boulevard hinunterrollte und angestrengt
durch die Windschutzscheibe starrte. Erst in letzter Sekunde dämmerte es Ethan,
daß sein Vater gleich in das abgestellte Fahrzeug donnern würde. Er schrie:
»Der steht! Der steht, Abba.« Felix riß das Lenkrad nach links. Die Räder
quietschten wie in einer Verfolgungsszene in einem Actionfilm - aber sein Vater
blieb ganz ruhig. Er lächelte, als sei nichts vorgefallen, als hätte er die
Reifen gar nicht gehört.
    Nie mehr würde er mit Abba in
einem Auto sitzen, mit seinem Vater, dem das ganze Leben ein Parforceritt, eine
Hetzerei gewesen war. Statt dessen saß er da und erzählte den anderen, die er
anrief oder die sich bei ihm meldeten, von den Umständen des Todes, von den
letzten Wochen, von den letzten Tagen, von den letzten Stunden des Felix Rosen.
Vom Streit berichtete er nicht. Auch Rudi ließ er unerwähnt, aber einige
fragten nach dem unbekannten Verwandten. Das Gerücht hatte längst die Runde gemacht.
Jossef, der Onkel, der den Österreicher im Spital getroffen hatte, erkundigte
sich nach dem unehelichen Sohn. Ebenso Jaffa, die Frau des Schiffseigners. Auch
andere hatten von dem Wiener Wissenschaftler gehört, der einen Nachruf für,
nein, gegen Dov Zedek geschrieben hatte. Einer meinte: »Was ist mit seinem
Nazisohn?«
    »Er ist kein Nazi«, antwortete
Ethan.
    »Aber du selbst sollst doch
geschrieben haben, daß er ein Antisemit ist.«
    »Er ist kein Antisemit.«
    Darauf ein Jude aus dem Irak,
ein Bekannter der Familie: »Sie sind doch alle Antisemiten, Ethan. Sie
bekommen es mit der Muttermilch eingeflößt. Spätestens dann.«
    Onkel Jossef sagte: »Aber
Felix hat ihn doch selbst als seinen Sohn vorgestellt.« Und Jaffa meinte: »Ist
es dir denn unangenehm?« Ethan konnte nicht die Wahrheit sagen. Sie hätten ihm
ohnehin nicht geglaubt. In diesen wenigen Gesprächen entstand eine neue
Familienlegende. Rudi, sein Halbbruder, erklärte Ethan, habe Israel leider kurz
nach Vaters Tod verlassen müssen. Es sei nicht zu ändern gewesen. »Mir kommt es
beinah vor«, sagte Jossef, »Felix hat bloß noch durchgehalten, um einmal mit
allen seinen Nächsten und mit seinen beiden Söhnen zusammenzusein.«
    Ethan antwortete: »So?« Und
dann: »Ich weiß nicht, ob Rudi zum Begräbnis kommen kann.« Ethan versicherte:
»Wir haben nichts dagegen.« Ethan erklärte: »Wir hoffen es.«
    Auch Dina blieb bei dieser
Version des Familienmärchens, ohne daß sie sich lange darüber abgesprochen
hätten, und als Ethan ihr den Hörer weiterreichte, versicherte die Mutter
ihrem Bruder Jossef, sie würden Rudi natürlich bitten, zur Beerdigung wieder
nach Israel zu kommen. Aber zweifellos habe der Junge jetzt zu tun. Er sei
schließlich wochenlang im Land gewesen, um seinen Papa kennenzulernen. Dabei
habe er

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