Rache - 01 - Im Herzen die Rache
Muskeln unwillkürlich an.
Über Nacht hatte es ein wenig geschneit, nicht so viel, dass sich Schneeverwehungen gebildet hätten, aber doch genug, um fast überall eine dicke Eisschicht zu hinterlassen. Chase kam ins Schwitzen, als er sie von der Windschutzscheibe kratzte. Er zog in Erwägung, sein Hemd zu wechseln, stellte jedoch fest, dass er keine Zeit mehr hatte, um es noch mit Wasserdampf zu glätten.
Er fuhr zum Lebensmittelladen und kaufte einen Blumenstrauß: einen mit vielen leuchtend roten Blüten, so wie die, die Ty ihm an dem Abend, an dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren, geschenkt hatte. Vor dem nächsten Zwischenstopp graute ihm, aber es führte kein Weg daran vorbei. Er bog auf den Kwik-Mart-Parkplatz ein, atmete tief durch und ging schweren Schrittes hinein, wobei er versuchte, möglichst locker auszusehen.
»Chase, Liebling!« Seine Mom blickte von der Zeitschriftenauslage auf, wo sie gerade den National Enquirer und andere Klatschblätter einsortierte. In jüngeren Jahren war sie eine schöne Frau gewesen, doch jetzt sah sie irgendwie verbraucht aus: zu viele Sonnenstudio-Besuche, zu viele Zigaretten. Sie bemühte sich immer noch sehr, nach etwas auszusehen – zu sehr wahrscheinlich.
»Hi, Mom«, begrüßte Chase sie und schob die Hände in die Hosentaschen.
»Was gibt’s, Schatz? Wo willst du denn hin, so in Schale geschmissen? Ich dachte, das Footballfest ist erst in ein paar Tagen.«
»Ich gehe zum Abendessen aus«, erwiderte er und wusste natürlich, wie albern die Worte klangen. »Zu einem Date.«
»Und wen führst du zu einem Date aus?« Sie ließ eine Daily Sun fallen und bückte sich, um sie wieder von dem schmutzigen Boden aufzuheben.
»Bloß so ein Mädchen hier aus der Gegend.« Er blickte sich um, um sich zu vergewissern, dass niemand lauschte. »Und ich hab überlegt, ob ich deine Kreditkarte borgen könnte«, fügte er schnell hinzu. »Nur für heute Abend.«
Seine Mom runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, Liebling. Wir haben das Kreditkartenkonto gerade erst wieder ausgeglichen. Du weißt doch, dass es nur für Notfälle ist.«
»Na ja, das ist so was wie ein Notfall. Ich will sie … beeindrucken.« Der letzte Teil des Satzes klang ziemlich verlegen. Über so etwas sprach er sonst nie mit seiner Mom.
Sie hörte auf, die Magazine zu ordnen, und sah ihm, die Hände auf den Hüften, direkt ins Gesicht.
»Wer immer dieses Mädchen auch ist, sie sollte von dir beeindruckt sein, nicht von dem Abendessen, zu dem du sie ausführst.«
»Mom, bitte, kann ich sie jetzt haben, oder nicht?« Er hasste es zu bitten. Aber er musste. Es gab keine Alternative. Er würde alles tun, damit die Sache mit Ty lief.
»Meinetwegen«, sagte seine Mutter und seufzte. »Ja.« Sie lächelte sogar. »Aber versprich mir, dass du nichts machst, was dir hinterher leidtut. Benutz das kluge Köpfchen, das du da oben auf den Schultern trägst«, sagte sie und verpasste ihm einen leichten Klaps mit der zusammengerollten US Weekly.
»Versprochen, Ehrenwort«, antwortete er und hopste fast unmerklich von einem Bein aufs andere. Er wollte auf keinen Fall zu spät zu dem Restaurant kommen – Ty hatte ihn gebeten, sich dort zu treffen, weil sie vorher noch ein paar Familienangelegenheiten erledigen musste.
Chases Mom ging langsam zur Kasse, zog ihre Tasche hinter der Theke hervor und nahm die kaum benutzte Kreditkarte heraus. Sie hatten beide erfahren, was es bedeutete, Schulden zu haben, als sich nach dem Tod von Chases Vater private und öffentliche Gläubiger bei ihnen die Klinke in die Hand gaben.
»Pass gut darauf auf, Chase. Ich hab dich lieb.« Sie beugte sich über die Theke und kniff ihn zärtlich in die Wange. Er zuckte ein wenig zurück und bekam anschließend ein schlechtes Gewissen.
»Ich hab dich auch lieb, Mom. Danke.« Er lächelte sie kurz an, damit sie auch wusste, dass er es ernst meinte.
Dann ging er rasch zurück zum Auto. In einer schäbigen kleinen Zoohandlung auf der anderen Straßenseite, die aus irgendeinem Grund in einem praktisch leer stehenden Einkaufszentrum überlebt hatte, brannte noch Licht. Eins der angrenzenden Schaufenster war zugenagelt worden und die Bretter klapperten mit rhythmischen, dumpfen Schlägen im Wind.
Mitten im vorderen Schaufenster konnte er eine Gestalt erkennen. Ihr Gesicht wurde vom Licht des flackernden Ladenschilds erleuchtet: Mensch und Tier war der Name des Geschäfts. Chase kniff die Augen zusammen – war das ein Mädchen? Als er
Weitere Kostenlose Bücher